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Herr Bissig beschließt zu leben

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Ich entschließe mich zu weiterem Leben und verwandle den Schmerz in einen Hund. Den nenn ich Iony und führ ich an der Leine herum im Frühling. Ich lass zu, dass er mir übers Gesicht nass und salzig schlabbert. Dann und wann steige ich auch aus meinem Buch heraus und verführe irgendein junges Ding - eine Vision oder einen Lebenssinn - und ejakuliere über ihre strahlend weiße Schürze, bis ich wahrlich ausgelaugt im Dunkeln auf einer Parkbank in mir wie in einem Sack Altkleider versinke. Ich schluchze dabei und denk an früher, als ich mich für einen Prinzen hielt. Ich wünsche mir dann, jemand käm, den ich verscheuchen könnte. Kommt aber keiner, so fass ich mir ein Herz und pfeif den Iony aus meinem Brustkorb heraus, bevor er mir dort drin ans Bein pinkelt. Was mir die jungen Dinger davor von sich gezeigt haben, ihre nackte Haut, bring ich zu Papier. Auf dem Papier lass ich dem Iony freien Lauf und schau mir an, wie er tobt und tollt und pisst und kläfft und sich in ihrem Wohlgeruch herumwälzt, bis er ihrer Idee seinen eigenen Gestank eingerieben hat. Oder versucht er gerade das Umgekehrte? Jedenfalls, wenn er genügend herumgezankt und -gebissen hat, gibt er eine Weile Ruhe.
Für diese Ruhe lebe ich, sie ist das sanfte Tippen der Sense auf meiner Schulter, die mich alle irdischen Quereleien vergessen lässt.

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