GertrudWeiter greifend, aber weniger gelungen und zeitgebundener als viele der kleinen Erzählungen und Skizzen zu dieser Zeit ist der Roman Gertrud, der 1909 zuerst in seiner zweiten Fassung bei „Velhagen & Klasings Monatsheften“ erschien, dann in dritter Fassung 1910 bei Albert Langen. Die in Ichform erzählte Lebensgeschichte des Musikers Kuhn, der als Kind einen Unfall erleidet, als Krüppel zum Künstler heranreift, das Mädchen, das er liebt, an den genialischen Freund verliert, aber nach dessen frühem Tode der Witwe in einer stillen Freundschaft verbunden bleibt, ist das einzige Werk Hesses, das er selbst als Roman bezeichnet hat.

Die gefühlvolle Dichtung von Entsagung und Einsamkeit fand ein unterschiedliches Echo. >> Neben kritiklosem Lob äußert sich stark auch jene Revanche der Presse, die einen Autor so lange als Genie ausgeschrien hat, bis sie müde wird und ihn plötzlich für einen Trottel erklärt, << *1 schreibt Hesse an Conrad Haußmann, und ihm gegenüber bemerkt er auch:
>> Daß Gertrud selbst als Person zu sehr im Halblicht bleibt, mag stimmen, sie war für mich weniger ein Charakter als ein Symbol und zugleich das Stimulans, dessen Kuhn zu seiner ganzen Entwicklung bedurfte. << *2

1910 erschien zum Ärger Fischers bei Albert Langen in München eine etwas veränderte Buchfassung. Eine beiden Veröffentlichungen vorhergehende, als Fragment überlieferte und erst in dem Band Prosa aus dem Nachlaßpublizierte erste Fassung zeigt die Geschichte inhaltlich wie formal noch in einer wesentlich anderen Gestalt.

 

Titelblatt der Erstausgabe aus:
Bernhard Zeller (Bearbeitung): Hermann Hesse. Eine Chronik in Bildern. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main. Erweiterte Auflage 1977. Seite 61.

Zitat aus:
*1 *2 Brief an Conrad Hausmann vom 27.12.1910. Unveröffentlicht.