Im Vergleich zu Roßhalde sind die „Drei Geschichten aus dem Leben des Knulps„, die noch aus der Vorkriegszeit stammen, jedoch erst 1915 in „Fischers Bibliothek zeitgenössischer Romane“ erschienen, unbeschwerter, gelöster, nehmen alte Motive wieder auf und vertiefen sie.
Ein Nachfahre des „Taugenichts“ ist Knulp, ein Vagabund, der es zu nichts Rechtem gebracht hat, ein „Entgleister“, der nicht in die geregelte Ordnung nüchterner Arbeits- und Berufsmenschen paßt. Aber dieser träumende Schlendrian mit seiner Kinderseele verbirgt hinter seiner heiteren Seite, die den Menschen Freude, ihnen Spiel und Vergnügen bringt, einen zweiten Knulp, einen einsamen, heimatlosen Menschen, dem es bestimmt ist zu wandern, sich immer wieder auf und davon zu machen, an keinem Ort Wurzeln zu schlagen. Das Freisein von Bindungen muß mit dem Verzicht auf ein bürgerliches Glück, auf Familie und Häuslichkeit, erkauft werden.
Und so wird in übertragenem Sinn und mehr angedeutet als wirklich ausgesprochen auch in dieser frischen, unpathetischen Geschichte die Problematik des Künstlertums berührt, die Spannung zwischen der produktiven, nützlichen Welt der Leistung und dem scheinbar so unnützen, zweckfreien Dasein des Dichters und Künstlers.
>> Mit Knulp bin ich auch, trotz einigen mir nicht korrigierbaren Schönheitsfehlern, noch ganz einverstanden. Ich habe mit ihm etwas Sonderbares erlebt. Ich kam, zusammen mit einem meiner Söhne, etwa im Jahr 1930 nach sehr langer Zeit wieder einmal nach Calw, übernachtete im Waldhorn, ganz nah beim großväterlichen und väterlichen Haus, ging durch ein paar Gassen, sah von der Brücke in die Nagold hinunter – und die Gestalt, die mir da überall gegenwärtig war, da um eine Gassenecke verschwand und hier beim Brunnen stand, war keine Person meiner Kindheit und Jugend, sondern war Knulp. Er war für mich (was ich vorher nicht gewußt hatte) zum Geist und Sinnbild der Heimat geworden. << *1
Titelblatt der Erstausgabe aus:
Bernhard Zeller (Bearbeitung): Hermann Hesse. Eine Chronik in Bildern. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main. Erweiterte Auflage 1977. Seite 72.
Zitat aus:
*1 Volker Michels (Hrsg.). Schriften zur Literatur Band 1. Brief an Peter Suhrkamp vom 15.1.1942. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main. 1972. Seite 30.