Mitten im Kriege, am 29. April 1942, wurde Das Glasperlenspiel beendet. Sieben Monate lag das Manuskript in Berlin, aber alle Bemühungen des Verlegers und Freundes Peter Suhrkamp scheiterten, das Buch konnte in Deutschland nicht gedruckt werden. Es erschien am 18. November 1943 beim Verlag Fretz und Wasmuth in Zürich in zwei Bänden. Nur wenige Exemplare gelangten über die Grenze und wurden als Kostbarkeiten von Hand zu Hand weitergereicht.
Der reale Hintergrund der großen Dichtung ist die politische Situation Deutschlands seit dem Ersten Weltkrieg und dann vor allem in den Jahren der Gewaltherrschaft Hitlers. Einer Welt, die in Anarchie zerfällt, als Gegenbild eine Provinz des Maßes, der geistigen Ordnung, der Zucht und Ehrfurcht, dem Chaos den Kosmos entgegenzusetzen, darum war es Hesse vor allem zu tun. Leitbilder wollte er aufstellen, und gleich der platonischen Akademie, die als Ideal für Jahrhunderte wirksam war, sollte auch Kastalien einer Welt, die ihre Würde verloren hat, zum Leitbild werden. Mag diese kastalische Provinz auch in die Zukunft projiziert sein, sie ist dennoch weder Zukunftstraum noch Prophezeiung oder utopisches Postulat, sondern eine Idee, die ihre innere, an keine bestimmte Zeit gebundene Wirklichkeit besitzt und eine Möglichkeit geistigen Lebens darstellen will.
Das Glasperlenspiel trägt den Untertitel Versuch einer Lebensbeschreibung des Magisters Ludi Josef Knecht samt Knechts hinterlassenen Schriften. Es spielt in einer Zeit, die einige hundert Jahre nach unserer Gegenwart liegt und schildert das Leben in Kastalien, eines an Goethes pädagogische Provinz gemahnenden kleinen Gelehrtenreiches. Das 19. und 20. Jahrhundert, als feuilletonistisches Zeitalter bezeichnet, mit seinem autoritätslosen Individualismus, seinen Kriegen und seinem moralischen Zerfall ist überwunden. Aus Verzweiflung über den Untergang der Kultur schloß sich damals eine Gruppe von Menschen zusammen, um dem Geiste treu zu bleiben, der Überlieferung hoher kultureller Werte zu dienen und eine neue Bildungswelt aufzubauen. Es entstand eine Art weltlicher Orden, der in strenger, geistiger Zucht lebte, auf äußere Erfolge, aber auch weitgehend auf ein schöpferisches Künstlertum verzichtete und sich vor allem der Pflege der Musikwissenschaft, der Mathematik, der Philologie widmete. Einer großen Synthese aller Wissenschaften und Kulturen, einer Universitas litterarum wurde zugestrebt. Im Mittelpunkt dieses geistigen und exklusiven Ordensdaseins steht das Glasperlenspiel, ein Spiel mit einer Art hochentwickelter Geheimsprache, mit eigenen Regeln und eigener Grammatik, Gleichnis für die Einheit des Geistes, für die große Zusammengehörigkeit aller einmal gedachten Ideen, aller von Kunst und Kultur geschaffenen Werte. Das Glasperlenspiel ist also ein Spiel mit sämtlichen Inhalten und Werten unsrer Kultur, es spielt mit ihnen, wie etwa in den Blütezeiten der Künste ein Maler mit den Farben seiner Palette gespielt haben mag. Was die Menschheit an Erkenntnissen, hohen Gedanken und Kunstwerken in ihren schöpferischen Zeitaltern hervorgebracht, was die nachfolgenden Perioden gelehrter Betrachtung auf Begriffe gebracht und zum intellektuellen Besitz gemacht haben, dieses ganze ungeheure Material von geistigen Werten wird vom Glasperlenspieler so gespielt wie eine Orgel vom Organisten, und diese Orgel ist von einer kaum auszudenkenden Vollkommenheit, ihre Manuale und Pedale tasten den ganzen geistigen Kosmos ab, ihre Register sind beinahe unzählig, theoretisch ließe mit diesem Instrument der ganze geistige Weltinhalt sich im Spiele reproduzieren. Das Spiel bedarf der jahrelangen Übung, nur wenige erreichen höchste Vollkommenheit, nur einer kann Magister Ludi, Glasperlenspielmeister, sein und dann die großen öffentlichen Spiele, feierliche Repräsentationsakte des Ordens, die fast zu einer Art Gottesdienst werden, entwerfen und leiten.
Der Orden der Kastalier steht isoliert mit eigener Hierarchie innerhalb des Staates, wird aber von ihm anerkannt und in seinem materiellen Dasein gesichert. Seine Gegenleistung sind die Elite-Schulen, die den begabtesten Söhnen des Landes offen stehen.
In diesem Rahmen bewegt sich nun das Leben Josef Knechts, das nach alten Dokumenten und Berichten nacherzählt wird. Der junge Knecht, ungewöhnlich musikalisch begabt, wird nach einer besonderen Prüfung im Alter von zwölf Jahren in eine der kastalischen Elite-Schulen aufgenommen. Er durchläuft sie als einer der besten Schüler und tritt nach dem Abschluß seiner Ausbildung und nach einigen Jahren freien Studierens in den Orden selbst ein. Da er bald zum engsten Kreis der eigentlichen Elite gehört, wird er für zwei Jahre in das Stift und Kloster Mariafels geschickt, um die Verbindung zu dem Orden der Benediktiner möglichst zu festigen. Dort lernt er den Pater Jakobus, einen großen Historiker, kennen und durch ihn das Wesen der geschichtlichen Welt und Wirklichkeit. Zurückgekehrt, erreicht er durch seine Wahl zum Magister Ludi die höchste Stufe der geistigen Hierarchie und bewährt sich als ausgezeichneter Lehrer und hervorragender Meister des Spiels. Aber der einst so eifrige Vorkämpfer für die kastalische Gedankenwelt lernt mit den Jahren erkennen, daß auch Kastalien keinen absoluten Wert bedeutet, sondern dem geschichtlichen Sein und damit der Vergänglichkeit unterworfen ist. Immer deutlicher wird ihm bewußt, daß zur Bewahrung und zur Beharrung Wandlung und Weiterschreiten treten müssen, daß das Erreichte und Gewordene zum Absterben verurteilt ist, wenn es die Fähigkeit zu weiterem Werden und Sichwandeln verliert. Daher beschließt er, den Orden, dessen Möglichkeiten er erschöpft und ausgemessen hat, zu verlassen. Obwohl die Ordensleitung seinen Entschluß mißbilligt, gibt er sein Amt zurück, tritt in das Leben der Welt und wird zum Lehrer des Sohnes eines Freundes, der einst mit ihm die Elite-Schule besuchte, nun aber längst im politischen Leben steht. Doch kaum daß er seine neue Aufgabe begonnen, findet er den Tod beim Baden in einem Gebirgssee.
Auch eine sehr viel eingehendere Nacherzählung der sogenannten Handlung des Buches könnte seinen gedanklichen Gehalt und seine besondere Atmosphäre nur höchst ungenügend wiedergeben. Das gleich einer großen Fuge mit Themen und Gegenthemen, Haupt- und Nebenstimmen komponierte Werk, eine Dichtung des Wechselspiels von Geist und Leben, ist so komplex und vielschichtig, daß hier nur ein Grundgedanke hervorgehoben werden kann.
>> Die höchste und schönste Haltung, die aus dem Spiel gewonnen werden kann, ist die Heiterkeit. Daher sollte ein rechter Glasperlenspieler von Heiterkeit durchtränkt sein wie eine reife Frucht von ihrem süßen Saft, er sollte vor allem die Heiterkeit der Musik in sich haben, die ja nichts anderes ist als Tapferkeit, als ein heiteres, lächelndes Schreiten und Tanzen mitten durch die Schrecken und Flammen der Welt, festliches Darbringen eines Opfers... Diese Heiterkeit zu erreichen, ist mir, und vielen mit mir, das höchste und edelste aller Ziele...Auch wenn ganze Völker und Sprachen die Tiefe der Welt zu ergründen suchen, in Mythen, Kosmogonien, Religionen, ist das Letzte und Höchste, was sie erreichen können, diese Heiterkeit. <<
Der reale Hintergrund der großen Dichtung ist die politische Situation Deutschlands seit dem Ersten Weltkrieg und dann vor allem in den Jahren der Gewaltherrschaft Hitlers. Einer Welt, die in Anarchie zerfällt, als Gegenbild eine Provinz des Maßes, der geistigen Ordnung, der Zucht und Ehrfurcht, dem Chaos den Kosmos entgegenzusetzen, darum war es Hesse vor allem zu tun. Leitbilder wollte er aufstellen, und gleich der platonischen Akademie, die als Ideal für Jahrhunderte wirksam war, sollte auch Kastalien einer Welt, die ihre Würde verloren hat, zum Leitbild werden. Mag diese kastalische Provinz auch in die Zukunft projiziert sein, sie ist dennoch weder Zukunftstraum noch Prophezeiung oder utopisches Postulat, sondern eine Idee, die ihre innere, an keine bestimmte Zeit gebundene Wirklichkeit besitzt und eine Möglichkeit geistigen Lebens darstellen will.
Das Glasperlenspiel trägt den Untertitel Versuch einer Lebensbeschreibung des Magisters Ludi Josef Knecht samt Knechts hinterlassenen Schriften. Es spielt in einer Zeit, die einige hundert Jahre nach unserer Gegenwart liegt und schildert das Leben in Kastalien, eines an Goethes pädagogische Provinz gemahnenden kleinen Gelehrtenreiches. Das 19. und 20. Jahrhundert, als feuilletonistisches Zeitalter bezeichnet, mit seinem autoritätslosen Individualismus, seinen Kriegen und seinem moralischen Zerfall ist überwunden. Aus Verzweiflung über den Untergang der Kultur schloß sich damals eine Gruppe von Menschen zusammen, um dem Geiste treu zu bleiben, der Überlieferung hoher kultureller Werte zu dienen und eine neue Bildungswelt aufzubauen. Es entstand eine Art weltlicher Orden, der in strenger, geistiger Zucht lebte, auf äußere Erfolge, aber auch weitgehend auf ein schöpferisches Künstlertum verzichtete und sich vor allem der Pflege der Musikwissenschaft, der Mathematik, der Philologie widmete. Einer großen Synthese aller Wissenschaften und Kulturen, einer Universitas litterarum wurde zugestrebt. Im Mittelpunkt dieses geistigen und exklusiven Ordensdaseins steht das Glasperlenspiel, ein Spiel mit einer Art hochentwickelter Geheimsprache, mit eigenen Regeln und eigener Grammatik, Gleichnis für die Einheit des Geistes, für die große Zusammengehörigkeit aller einmal gedachten Ideen, aller von Kunst und Kultur geschaffenen Werte. Das Glasperlenspiel ist also ein Spiel mit sämtlichen Inhalten und Werten unsrer Kultur, es spielt mit ihnen, wie etwa in den Blütezeiten der Künste ein Maler mit den Farben seiner Palette gespielt haben mag. Was die Menschheit an Erkenntnissen, hohen Gedanken und Kunstwerken in ihren schöpferischen Zeitaltern hervorgebracht, was die nachfolgenden Perioden gelehrter Betrachtung auf Begriffe gebracht und zum intellektuellen Besitz gemacht haben, dieses ganze ungeheure Material von geistigen Werten wird vom Glasperlenspieler so gespielt wie eine Orgel vom Organisten, und diese Orgel ist von einer kaum auszudenkenden Vollkommenheit, ihre Manuale und Pedale tasten den ganzen geistigen Kosmos ab, ihre Register sind beinahe unzählig, theoretisch ließe mit diesem Instrument der ganze geistige Weltinhalt sich im Spiele reproduzieren. Das Spiel bedarf der jahrelangen Übung, nur wenige erreichen höchste Vollkommenheit, nur einer kann Magister Ludi, Glasperlenspielmeister, sein und dann die großen öffentlichen Spiele, feierliche Repräsentationsakte des Ordens, die fast zu einer Art Gottesdienst werden, entwerfen und leiten.
Der Orden der Kastalier steht isoliert mit eigener Hierarchie innerhalb des Staates, wird aber von ihm anerkannt und in seinem materiellen Dasein gesichert. Seine Gegenleistung sind die Elite-Schulen, die den begabtesten Söhnen des Landes offen stehen.
In diesem Rahmen bewegt sich nun das Leben Josef Knechts, das nach alten Dokumenten und Berichten nacherzählt wird. Der junge Knecht, ungewöhnlich musikalisch begabt, wird nach einer besonderen Prüfung im Alter von zwölf Jahren in eine der kastalischen Elite-Schulen aufgenommen. Er durchläuft sie als einer der besten Schüler und tritt nach dem Abschluß seiner Ausbildung und nach einigen Jahren freien Studierens in den Orden selbst ein. Da er bald zum engsten Kreis der eigentlichen Elite gehört, wird er für zwei Jahre in das Stift und Kloster Mariafels geschickt, um die Verbindung zu dem Orden der Benediktiner möglichst zu festigen. Dort lernt er den Pater Jakobus, einen großen Historiker, kennen und durch ihn das Wesen der geschichtlichen Welt und Wirklichkeit. Zurückgekehrt, erreicht er durch seine Wahl zum Magister Ludi die höchste Stufe der geistigen Hierarchie und bewährt sich als ausgezeichneter Lehrer und hervorragender Meister des Spiels. Aber der einst so eifrige Vorkämpfer für die kastalische Gedankenwelt lernt mit den Jahren erkennen, daß auch Kastalien keinen absoluten Wert bedeutet, sondern dem geschichtlichen Sein und damit der Vergänglichkeit unterworfen ist. Immer deutlicher wird ihm bewußt, daß zur Bewahrung und zur Beharrung Wandlung und Weiterschreiten treten müssen, daß das Erreichte und Gewordene zum Absterben verurteilt ist, wenn es die Fähigkeit zu weiterem Werden und Sichwandeln verliert. Daher beschließt er, den Orden, dessen Möglichkeiten er erschöpft und ausgemessen hat, zu verlassen. Obwohl die Ordensleitung seinen Entschluß mißbilligt, gibt er sein Amt zurück, tritt in das Leben der Welt und wird zum Lehrer des Sohnes eines Freundes, der einst mit ihm die Elite-Schule besuchte, nun aber längst im politischen Leben steht. Doch kaum daß er seine neue Aufgabe begonnen, findet er den Tod beim Baden in einem Gebirgssee.
Auch eine sehr viel eingehendere Nacherzählung der sogenannten Handlung des Buches könnte seinen gedanklichen Gehalt und seine besondere Atmosphäre nur höchst ungenügend wiedergeben. Das gleich einer großen Fuge mit Themen und Gegenthemen, Haupt- und Nebenstimmen komponierte Werk, eine Dichtung des Wechselspiels von Geist und Leben, ist so komplex und vielschichtig, daß hier nur ein Grundgedanke hervorgehoben werden kann.
>> Die höchste und schönste Haltung, die aus dem Spiel gewonnen werden kann, ist die Heiterkeit. Daher sollte ein rechter Glasperlenspieler von Heiterkeit durchtränkt sein wie eine reife Frucht von ihrem süßen Saft, er sollte vor allem die Heiterkeit der Musik in sich haben, die ja nichts anderes ist als Tapferkeit, als ein heiteres, lächelndes Schreiten und Tanzen mitten durch die Schrecken und Flammen der Welt, festliches Darbringen eines Opfers... Diese Heiterkeit zu erreichen, ist mir, und vielen mit mir, das höchste und edelste aller Ziele...Auch wenn ganze Völker und Sprachen die Tiefe der Welt zu ergründen suchen, in Mythen, Kosmogonien, Religionen, ist das Letzte und Höchste, was sie erreichen können, diese Heiterkeit. <<