Eine Übersicht der wichtigsten Hermann Hesse-Stätten in Calw

Stadtplan Calw

Marktplatz 6. Das Hermann Hesse Geburtshaus

Hier wurde Hermann Hesse am Montag, dem 2. Juli 1877, abends um ½ 7 Uhr, in der Wohnung im zweiten Stock rechts, geboren. Das damalige Wohn- und Geschäftshaus Emil Dreiß (1830 -1880) wird 1882 die Textilhandlung Traugott Schiler (1855 – 1919), später Textilhandlung Friedrich Daur; heute Modehaus Schaber. Die Eltern, Johannes und Marie Hesse, wohnen seit Ihrer Heirat, 1874, bis zum Umzug der Familie nach Basel, 1881, mit den Kindern in dieser Wohnung.

Johannes Hesse ist in den Jahren 1873 – 1881 Mitarbeiter von Hermann Gundert im Calwer Verlagsverein. Am 15. August 1875 kommt hier Hesses ältere Schwester Adele zur Welt.

Hermann Hesse wird nach seiner Geburt am 2. Juli 1877 durch den Großvater Gundert am 3. August 1877 im Hause getauft. Hier werden Hesses jüngere Geschwister geboren: Paul (geb. 14. Juli 1878, gest. 17. Dezember 1878), Gertrud (geb. 6. August 1879; gest. 30. März 1880) und Marie, genannt Marulla (geb. 27. November 1880; getauft im Hause am 28. Dezember 1880).


Marktplatz: Rathaus

Erbaut 1454. Nach der Zerstörung im Jahre 1634 Wiederaufbau 1672. Nach erneuter Zerstörung, 1692, entsteht der heutige Bau in den Jahren 1726 bis 1730. Die Rathausfront wird 1929 renoviert. In der Halle des Rathauses war der Markt der Stadt, vor allem der Markt der Bäcker und Metzger. Zwei große, wohl 1586 errichtete Brunnen mit dem Calwer Löwen, die das württembergische und das Calwer Stadtwappen tragen, stehen auf dem Marktplatz in den Brennpunkten einer Ellipse. Rathaus und Rathaushalle finden u. a. in Hesses Erzählungen „Eine Fußreise im Herbst“ und „Schön ist die Jugend“ Erwähnung.


Salzgasse: Salzkasten

Erbaut 1696. 1722 bekommt das Haus den Namen nach seiner Funktion: Salzhaus (mit Stadtschreiberei, denn der Salzhandel war städtisches Privileg). Während Hesses Schulzeit ist in diesem Haus eine Klasse der Lateinschule untergebracht.

Die Salzgasse wird als „Hirschengasse“ in der Erzählung „die Verlobung“ erwähnt, die an die Verlobung von Hesses Eltern erinnert.


Kirchplatz 3: Ecke Schulgasse/Zwinger

Ehemaliges Rektorat des Real-Lyceums, der Calwer Lateinschule, die Hesse zwischen Juli 1886 und Februar 1890 besucht. Die Klasse 2 in die Hesse eintritt, wird damals im Rathaus unterrichtet.

Zu Hesses Calwer Schulerfahrungen vgl. u. a. Demian, Das Glasperlenspiel und vor allem Unterm Rad. Zwischen 1871 und Juli 1872 unterrichtet Hesses Mutter als erste Lehrerin an einer württembergischen Realschule Englisch in der Oberklasse.


Marktplatz 16: Dekanat

Seit 1698 Sitz des evangelischen Stadtdekans.

Im “ Vierten Lebenslauf des Josef Knecht“, der erst 1965 veröffentlicht wird, beschreibt Hesse das Haus als „Spezialat“ der Ordensverwaltung.


Marktplatz: Stadtkirche

Stadtkirche Calw, Foto: Timo Reith

Erste Erwähnung im Jahre 1262. Nach Zerstörungen in den Jahren 1634 und 1692 um 1700 mit welschem Turm auf den Trümmern wieder erbaut; 1886 nach verschiedenen Umbauten teilweise abgebrochen und 1888 mit spitzem Turm wiedererrichtet.

Die evangelische Stadtkirche findet in manchen Erzählungen Hesses Erwähnung, so in „Aus Kinderzeiten“, „Eine Fußreise im Herbst“, „Schön ist die Jugend“, „Die Verlobung“ und „Kinderseele“.


Marktplatz 30: Haus Schütz (Hesse Museum)

Eingang Hermann Hesse Museum Calw 1999. Foto: Timo Reith

Erbaut 1813 durch den Herzoglichen Hofbaudirektor R. F. H. Fischer an Stelle der Lateinschule im 16. Jahrhundert und der späteren Obervogtei. – Seit 1990 befindet sich in diesem Haus das Hermann Hesse-Museum der Stadt Calw sowie – seit 1982 – die Galerie der Stadt Calw.


Inselgasse

Zwischen einem heute durch die Straße überbauten Nagoldarm und dem Fluß befand sich eine Insel, auf der die ehemalige Schill- & Wagner`sche Deckenfabrik, seit 1895 die Vereinigte Decken- und Tuchfabriken AG Calw steht.

Hier wohnen die Italiener, die um 1870 beim Bahnbau beschäftigt sind; vgl. die Erzählung „Hans Dierlamms Lehrzeit“; hier wütet am 1. Juli 1895 der Wirbelsturm, den Hesse in der Erzählung „Der Zyklon“ beschreibt.


Brühl

Das ehemalige Spiel- und Festgelände der Stadt war ein mit drei Lindenreihen bestandener Platz.

In der Erzählung „Der Lateinschüler“, in „Eine Fußreise im Herbst“, vor allem aber in der Erinnerung „Der Zyklon“ spielt der Festplatz, einmal „still und vergessen“, eine Rolle.


Friedhof

Seit 1618 Friedhof der Stadt Calw.

An der unteren Mauer befinden sich innerhalb des Schillschen Familiengrabes die Gräber der mit der Familie Schill verschwägerten Mitglieder der Familie Hesse und Gundert:

  • Marie Hesse, verw. Isenberg geb. Gundert 18.10.1842 – 24.4.1902, Hesses Mutter.
  • Dr phil. Hermann Gundert, Missionar in Ostindien ( 1836 bis 1859), 4.2.1814 – 24.4.1893, Hesses Großvater mütterlicherseits.
  • Julie Gundert geb. Dubois, 1.10.1809 – 18.9. 1885, Hesses Großmutter mütterlicherseits.
  • Uranie Dubois, 15.1.1806 – 15.1.1885, Hesses Großtante, die seit 1872 in Calw lebte.
  • Friedrich Gundert, 7.3.1847 – 15.7.1925 und Emma Gundert geb. Heermann, 4.7.1848 bis 1.10.1918, Hesses Onkel und Tante; sie stammte aus der Schillschen Familie.

Bischofstraße 70: Badischer Hof

Die Wirtschaft wird um 1870 durch Georg Thudium (1854 – 1892) umgebaut und erweitert. Eine Kegelbahn wird eingerichtet. Der große Saal bekommt als Versammlungs- und Vortragsraum in der Stadt Bedeutung.

In der Erzählung „Eine Fußreise im Herbst“ firmiert er als „Schwäbischer Hof am Brühl“, In der Erzählung „Die Heimkehr“ als „Bayerischer Hof“.


Bischofstraße 52: Steinhaus

Erbaut 1694 von dem Theologen und dem langjährigen Präceptor der Calwer Lateinschule, Johann Martin Schill (1675 – 1751), im südtiroler Baustil. Christoph Friedrich Oetinger, der während seiner Hirsauer Jahre im Schill`schen Hause verkehrt, nennt den Präceptor in seiner Autobiographie einen „seltenen Mann“. Er sei immer “ mit Gott“ umgegangen, „war sehr innerlich und merkte auf die Wirkungen des Geistes“ – Als Hesses Onkel Friedrich Gundert mit Emma Heermann die letzte Erbin des Schill`schen Hauses heiratet, wird eines der „ältesten“ und „schönsten“ Häuser der Stadt durch den großen Verehrer Johann Sebastian Bachs, den Leiter des Calwer Kirchen-gesangsvereins Friedrich Gundert, der dem Verlagsverein als Geschäftsführer dient, zu einem Haus der Musik.
In der Erzählung „Schön ist die Jugend“ und der Erinnerung „Herr Claaßen“ ist das „Steinhaus“ der Hauptschauplatz.


Bischofstraße 48: Vischersches Haus

Erbaut 1787 – 1791 durch den herzoglichen Hofbaudirektor R. F. H. Fischer für die Floß- und Holzhandelscompagnie. Geburtshaus von Emilie Vischer (1799 – 1881), der späteren Frau des Dichters Ludwig Uhland (1787 – 1862). 1964 – 1990 Hermann Hesse-Gedenkstätte der Stadt Calw. Stadtarchiv.


Weinsteg

Der schon im Mittelalter genannte Nagoldübergang, der 1863 mit einer schmalen Eisenbrücke versehen wird, spielt in der Jagd nach dem entflohenen Papagei Polly in „Aus Kinderzeiten“ eine Rolle.


Lederstraße 32: Andreä-Haus

Das nach dem Calwer Dekan und späteren Stuttgarter Hofprediger Johann Valentin Andreä (1587 – 1654) benannte evangelische Vereinshaus war vordem Woll-Lager der Calwer Zeughandels-compagnie.

Gegenüber, in der Biergasse, nimmt Hermann Hesses Bruder Hans im Oktober 1896 bei Johannes Hinderer (* 1869) eine kaufmännische Lehre auf. Samuel Leukardt, der „Sammetwedel“ in der Erzählung “ Ein Knabenstreich“, hat dort seinen Laden.


Lederstraße 24

Wohnung der Familie Hesse von September 1889 bis Juni 1893 im zweiten Stock des Staudenmeyerschen Hauses (heute Firma Flory).

Im Haus des Verwaltungsaktuars Emil Staudenmeyer (1857 – 1926) spielt der „Feigendiebstahl“ in der Erzählung „Kinderseele“.


Marktstr. 4 – 6

An der Ecke Marktplatz/Marktstraße befindet sich in den späten achtziger Jahren des vorigen Jahrhunderts die Obstbude der Frau Haas, der Spielwarenladen von Jakob Jenisch (1851 – 1939) und die Werkstatt des Kupferschmieds Heinrich Kirn (1841 – 1911).

– Vgl. die Erzählung „Unterbrochene Schulstunde“.


Am Schloßberg 9

Hermann Hesse-Gymnasium. Auf diesem Areal befand sich das einstige Spital und Armenhaus der Stadt.

– Vgl. die Erzählung „In der alten Sonne“.


Georgenäum

„Eine Pflanzstätte wahrer und vielseitiger Volksbildung, gestiftet zu einer Anstalt der Förderung des Gewerbes und Handels, der Kunst und des gemeinnützigen Wissens“ von Generalkonsul Emil von Georgii-Georgenau (1828 – 1902). Einweihung im Mai 1871.

In diesem Haus hält Johannes Hesse seine Missionsvorträge. Hier findet Zeichen- und Malunterricht statt, auch musikalische Aufführungen des Chors und des Kirchengesangsvereins. Hier werden Bildnisse berühmter Calwer ausgestellt.


Metzgergasse

Bei der Stützmauer gegenüber der Jugendherberge wäre jene Wirtschaft von Philipp Manz zu lokalisieren, in der die Spitalpfründner in Hesses Erzählung „In der alten Sonne“ verkehren.

Als „Josef-Knecht-Gasse“ wird die Metzgergasse im „Glasperlenspiel“ geschildert. – Vor dem Einzug in das Gebäude des Calwer Verlagsvereins, wohnen Hesses Großvater, Hermann Gundert und seine Familie hier (1859 – 1862).


Badstraße

Haus und Werkstatt des Schlossers Gottlob Mohr (geb. 1843) und seiner Söhne Gottlob (geb. 1872), August (geb. 1874) und Hermann (1879 – 1889), dem „Mohrle“ in der Erzählung „Erlebnis aus der Knabenzeit“. Der Vater Mohr wurde von Hesses Großvater, Hermann Gundert, und von seinem Sohn Paul sehr geschätzt.


Hermann-Hesse-Platz und Nikolausbrücke

Das Wahrzeichen der Stadt Calw ist die älteste Steinbrücke über die Nagold mit der Kapelle des Nikolaus auf dem Mittelpfeiler; sie wurde um 1400 erbaut, 1863/64 und 1926 erneuert; dabei wurde die Kapelle mit einem neuen Türmchen versehen.

Der auf der Westseite liegende kleine Platz war für Hesse der ihm „liebste Platz im Städtchen“, „der Domplatz von Florenz“ schien ihm „nichts dagegen“. Der auf dem kleinen Platz befindliche Brunnen wurde 1920 durch Gemeinderatsbeschluß zum „Hermann-Hesse-Brunnen“, später aber in die Nähe des Brühl verlegt und bei der Stadtsanierung in den siebziger Jahren wieder am alten Platz, der jetzt nach Hesse benannt wurde, aufgestellt.


Die Nagold

Oberhalb und unterhalb der Nikolausbrücke befanden sich im ausgehenden 19. Jahrhundert Inseln, von denen aus die Calwer Jugend badete. Beim heutigen Elektrizitätswerk (Flußwehr) war die Obere Mühle, das Geburtshaus des Stadtphysikus und späteren Bürgermeisters von Freiberg in Sachsen Ulrich Rülein (1465 – 1523).

Gegenüber der unteren Insel lag die mittlere Mühle, bei der auch eine Werkstatt, der Perrot`schen Turmuhrenfabrik gelegen war. Die Stellfalle flußaufwärts war nötig, um den Flößern die nötige Geschwindigkeit zur Durchfahrt unter der Brücke zu verschaffen.


Ecke Nikolausbrücke / Bischofstraße

Bis 1692 Städtisches Spital; 1791 von Bürgermeister Hasenmayer erbautes Patrizierhaus, das spätere Wohn- und Geschäftshaus Reichert. In dem gegenüberliegenden Patrizierhaus Bahnhofstraße 2, erbaut durch den herzoglichen Hofbaudirektor R. F. H. Fischer, befindet sich schon 1723 ein gut eingerichtetes Gasthaus (Waldhorn), in dem 1812 Ludwig Uhland abgestiegen ist (Emilie Vischer, seine spätere Frau, wird erst 1814 im Tagebuch erwähnt) und 1931 Hermann Hesse. Vgl. die Erzählung „Hans Amstein“.


Bahnhofstraße 1: Haus Giebenrath

Die heutige „Alte Post“. Der Bäcker und Wirt Heinrich Giebenrath (1853 – 1939) war der unmittelbare Nachbar des Gundert`schen Hauses in der Bischofstraße 4. Der Name „Giebenrath“ wird in den Erzählungen „Garibaldi“, „Der Hausierer“ und vor allem in „Unterm Rad“ wiederkehren.


Werkstätte von Heinrich Perrot

Mechanische Werkstätte von Heinrich Perrot (1864 – 1949), dem Sohn von Johannes Immanuel Perrot (1835 – 1898). Lehrwerkstätte Hermann Hesses zwischen Juni 1894 und Mitte September 1895. – Vgl. Die Erzählung „Aus der Werkstatt“. Im Vorwort zu der Sammlung „Gerbersau“ beschreibt Hesse einen Gang vom ehemaligen Bahnhof in die Stadt. Vgl. „Unterm Rad“, „Das erste Abenteuer“ sowie „Schön ist die Jugend“.


Bischofstraße 4

1854 – 1920 Sitz des 1836 in Möttlingen bei Calw gegründeten Calwer Verlagsvereins, dem Hesses Großvater Hermann Gundert und seine beiden Eltern zwischen 1862 und 1905 dienen. 1862 – 1893 Amtswohnung von Hermann Gundert und seiner Familie. 1886 – 1889 und 1893 – 1905 wohnte die Familie Hesse mit den Kindern in diesem Haus, das für Hesse das eigentliche „Vaterhaus“ mit „Großvaters Bibliothek“ ist. Hier entstehen die Lebensbilder „Boccaccio“ (1903/1904), „Franz von Assisi“ (1903/04) und die Erzählung „Unterm Rad“ (1903/04). – Das Gebäude, der heutige Drogeriemarkt Müller, hat sein ursprüngliches Aussehen fast völlig eingebüßt. Nur noch das Gartenhaus und die Veranda gegen den Berg und die Bahngleise haben ihre ursprüngliche Form behalten.


Bischofsbrunnen

Im Zentralen Omnibusbahnhof (ZOB). Aus diesem Brunnen in der Nachbarschaft, der freilich in einem einfachen Keller gefaßt war, hat Hesse als Kind für seinen Vater, „der ein Asket und dennoch in den einfachsten Dingen ein Feinschmecker war“ in einem graublauen Stuttgarter Krug Trinkwasser geholt, „wenn ihm das Leitungswasser aus der Küche entleidet war“.


Hirsau

Wildbader Straße 2: Haus Feldweg in Hirsau, heute: Hotel Kloster Hirsau. Spaziergänge auf dem Wiesenweg an der Nagald nach Hirsau gehörten zum traditionellen Sonntagsprogramm der Familie Hesse. Ziel solcher Exkursionen war das Haus des Straßenbauinspektors Georg Heinrich Feldweg (1812-1895), dessen Tochter Johanna Beate (1855-1935) in zweiter Ehe Hesses Onkel David Gundert (1850 bis 1945), den Kommissionär der CaIwer Verlagsbuchhandlung in Stuttgart, den Gründer und Leiter des D.Gundert Verlags in Stuttgart geheiratet hat.