Die Erzählung, erstmals eine dichterische Spiegelung von Schwierigkeiten der eigenen Ehe, erschien 1913 in „Velhagen & Klasings Monatsheften“, 1914 dann als Buch. In der Titelzeichnung von E. R. Weiß findet sich das Gemälde von Johannes Veraguth wiedergegeben, das zum Sinnbild der Dichtung wurde.
Roßhalde beschreibt eine unglückliche Ehe. Die Geschichte stützt sich stark auf die Lebensumstände Hesses und spiegelt das wider, was er als die mißliche Lage des Künstlers dem Leben gegenüber betrachtete. Veraguth ist der Anlage nach der Mensch, der Hesse war, der Romantiker, der in träumerischer Erwartung lebt, von ihrer Verwirklichung rasch übersättigt ist und seine chronische Enttäuschung sorgfältig pflegt.
Adele ist die gesetzte und humorlose Persönlichkeit, die Mutter, die ihre Kinder unbedingt an sich binden will, und die wenig entgegenkommende Ehefrau, die Maria war. Ihre schlechte Ehe war die Hesses: jeder ist vom andern ernüchtert, beide sind einsam und verbit- tert, keiner will oder kann auf die Bedürfnisse des andern reagieren, beide sind uneins mit sich selbst und dem Leben, und beide erfahren nur Resignation und Verzicht. Aber Roßhalde ist nicht nur eine Geschichte einer mißglückten Ehe, es ist eine Demonstration ihrer Unmöglichkeit. Hesse gestand darin offen nicht nur den Fehlschlag, sondern mehr noch die Unsinnigkeit seines Versuchs, in der Ehe eine intime Beziehung zum Leben zu erreichen und einen Platz in der Gesellschaft für sich selbst zu finden. Menschen wie Veraguth und er seien anlagemäßig ungeeignet für diese Art der Intimität und Sicherheit. Hesse hatte die Überzeugung gewonnen, daß der Künstler im wesentlichen Beobachter und Schöpfer sei. Zu versuchen, ein Teilnehmer am Leben zu sein, sich ins Leben zu stellen, als ein Stück davon, bedeute, eine Rolle zu spielen und nicht sich selbst zu leben. Deshalb war für den Künstler jede Heirat von vornherein ein Mißgriff. Veraguths Fehler war der Hesses gewesen, und wie Hesse hatte er seinen Fehler dadurch nur noch kompliziert, daß er sich lange Zeit mit ihm abfand. Seine Schwierigkeiten waren die Hesses und die endliche drastische Lösung ebenfalls.
Nach 26 Jahren las Hesse Roßhalde eines äußeren Anlasses wegen zum erstenmal wieder und fand, daß sich die Erzählung bewährt habe. >> Damals, mit diesem Buche, hatte ich die mir mögliche Höhe an Handwerk und Technik erreicht, und bin nie weiter darin gekommen. Dennoch hatte es ja seinen guten Sinn, daß der damalige Krieg mich aus der Entwicklung riß und mich, statt mich zum Meister guter Formen werden zu lassen, in eine Problematik hinein führte, vor der das rein Ästhetische sich nicht halten konnte. << *1
Titelblatt der Erstausgabe aus:
Bernhard Zeller (Bearbeitung): Hermann Hesse. Eine Chronik in Bildern. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main. Erweiterte Auflage 1977. Seite 72.
Zitat aus:
*1 Volker Michels (Hrsg.). Schriften zur Literatur Band 1. Brief an Peter Suhrkamp vom 15.1.1942. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main. 1972. Seite 30.