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Die verlorene Mütze

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Es geht mir um einen Gegenstand, der mir sehr am Herzen liegt. Einige Dinge sind von solchem Stande, doch diese Mütze, um die war es besonders Schade. Warum ich über sie schreibe? Ganz einfach: das schlechte Gewissen plagt mich jetzt. Meine Dummheit diese schöne, wollene Strickmütze unwiederbringlich zu verlieren. Das geschah nämlich so:

Vor einigen Tagen begab ich mich in meine schöne Heimatstadt Dresden, um mit einigen Freunden, wie jeden Montag zu musizieren.
Um nicht danach wieder den weiten Weg bis nach meiner Wohnung in Pulsnitz zurücklegen zu müssen, telefonierte ich mit meinen Freund Vinzent, ob es möglich sei, bei ihm zu übernachten. Wir verabredeten uns und ich fuhr mit der Straßenbahn in Richtung Anton/Leipziger Straße. Mit dem Einsteigen in diese vermaledeite Straßenbahn fing das Elend an, denn nicht wie ich vermutete. Ich fuhr nämlich in eine andere Richtung (es war die falsche Straßenbahn). Ohne misstrauisch zu werden, Buch lesend glitt die Bahn mit mir immer und immer weiter in die kalte finstere Winternacht hinein und ich glaubte mich auf dem richtigen Weg. Wirklich, als ich mein Buch ausgelesen hatte und aus dem Fenster schaute, dachte ich, dass ich längst schon hätte das sein müssen. Auch die Gegend kam mir sehr unbekannt vor. Schnell fragte ich zwei Frauen, die noch als einzige Fahrgäste in der Bahn saßen, ob diese Linie vielleicht wegen Baustellen oder dergleichen Hindernisse einen Umweg fahre und ob sie irgendwann noch an der Anton / Leipziger Straße vorbei käme. Die Frauen schauten sich überrascht an, als wäre die Frage unmöglich (das war sie ja auch) und eine antwortete:
„Sie fahren wahrscheinlich in der falschen Bahn! Das hier ist die -Eins-.“
Schnell bedankte ich mich und stieg aus, ohne daran zu denken, dass meine gute Mütze noch auf dem Platz lag auf dem ich saß. Erst als ich durch die Kälte erschauert meine schwarze Wollmütze vermisste, sie in keiner Jackentasche finden konnte, wurde mir klar, dass ich sie ja neben mich auf den Sitz gelegt hatte.
Oh nein, oh nein, nicht diese Mütze. Ein Unglück kommt ja selten allein, doch dass ich in einer fremden Gegend, mitten in der Nacht meine teure Mütze verliere, dass ist bitter.
Mit dem Frost hinter den Ohren musste ich wohl oder übel auf eine Bahn warten, die mich zurück bringen würde...

Oh nein, meine Mütze! Vor einigen Wochen hat sie eine Nachbarin, die Frau Vater, gestrickt und mir geschenkt. Was bin ich für ein Frevler. Ich stellte mir vor, wie sie einige Abende da saß und an dieser Mütze strickte. Wie sie sich gefreut hatte, dass sie mir passt und dass sie mir etwas Gutes tun konnte.
Oh nein, nein. Das konnte nicht passieren, ohne dass ich darüber sehr traurig und wütend wurde. Ich würde später daheim an meinem Ofen sitzen und zeichnen oder an meiner Gitarre zupfen, immer mit dem Bewusstsein, der guten Frau Vaters Mütze verloren zu haben.
Um die Geschichte und mein Gewissen ins Reine zu bringen werde ich ihr die schlechte Nachricht überbringen müssen und sie bitten, mit neuer Wolle eine neue schöne Mütze zu stricken. Vielleicht würde sie sich ja über eine hölzerne Fußbank freuen, denn eben habe ich zweie fertiggestellt (ich bin Schreiner). Die sind allerdings eine Spende an die Kirchgemeinde in meinem Heimatort.

Tommy

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