Interview mit Kai Wieland

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hhesse.de hat im November 2020 die Gelegenheit gehabt, dem schwäbischen Schriftsteller Kai Wieland einige Fragen zu stellen. Im Folgenden lesen Sie unser Interview mit dem Autor von Zeit der Wildschweine.

hhesse.de: Können Sie Sich an die ersten Bücher, die Sie gelesen haben bzw. die Ihnen vorgelesen worden sind, erinnern?

Wieland: Ja, da waren zum Beispiel Kinderbuchklassiker wie die Raupe Nimmersatt und der Regenbogenfisch, und überhaupt mochte ich alles, was mit Tieren oder Dinosauriern zu tun hatte. Meine Oma hatte einen großen und schön illustrierten Band mit Zwergen- und Tiergeschichten, an den ich mich besonders gut erinnern kann. Die ersten Bücher, die ich selbst gelesen habe, kreisten dagegen eher um Fußball, das dominierende Thema meiner Kindheit und Jugend.

hhesse.de: Gibt’s irgendwelche Bücher aus Ihrer Kindheit, die Sie auch heute gerne lesen?

Wieland: Bücher weniger, aber ich lese noch heute gerne die Donald Duck Comics des Zeichners Don Rosa. In seinen Geschichten offenbaren die Familienmitglieder des Duck Clans bei aller Komik oft eine melancholische oder tragische Seite, die mich schon als Kind sehr angesprochen hat. Ich habe mir sogar erst kürzlich den Sammelband „Dagobert Duck – sein Leben, seine Milliarden“ zugelegt (bei Amazon ansehen).

hhesse.de: Welche Elemente dürfen für Sie in einer gelungenen Erzählung nicht fehlen?

Wieland: Für mich steht und fällt eine Geschichte mit den Figuren. Vielschichtig, ambivalent, eigen, aber dennoch authentisch – wenn diese Beschreibungen zutreffen, hat die Erzählung im Grunde schon gewonnen. Wenn dann noch pointierte Dialoge und eine unverbrauchte Sprache dazukommen, habe ich Spaß.

Zeit der Wildschweine: Roman
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hhesse.de: Welche Schriftsteller dienen Ihnen als Vorbilder und warum?

Wieland: Ich versuche im Allgemeinen, niemandem nachzueifern, aber es gibt etliche Autorinnen und Autoren, die mein Verständnis von guter Literatur geprägt haben. Ernest Hemingway und Alice Munro beispielsweise schätze ich für ihre unnachahmliche Fähigkeit, das Leben in seiner schmucklosen Einfachheit einzufangen, Hunter S. Thompson fasziniert mich als Grenzgänger zwischen Literatur und Journalismus noch heute, und Albert Camus‘ „Der Fremde“ (bei Amazon ansehen) hat mich mit dem speziellen Stimmungsmix aus Lethargie und Traurigkeit dermaßen begeistert, dass ich ein Motiv des Romans sogar als Tattoo auf der Haut trage.

hhesse.de: Haben Sie auch Kurzgeschichten geschrieben oder mit Kurzgeschichten experimentiert?

Wieland: Ja, absolut. Lange Zeit habe ich überhaupt nichts anderes geschrieben, weil ich für Romane zu ungeduldig und für Lyrik zu nüchtern war, aber damals habe ich nicht verstanden, dass auch eine gute Kurzgeschichte Zeit braucht. Entsprechend enttäuschend waren die Resultate. Mittlerweile ist es Jahre her, dass ich eine Kurzgeschichte verfasst habe, aber ich liebäugele immer mal wieder damit, weil ich die Form – auch als Leser – eigentlich sehr mag.

hhesse.de: Wir haben gehört, Sie haben auch ein Faible für Filme. Könnten Sie Sich Verfilmungen von Ihren Romanen vorstellen?

Wieland: Unbedingt! Das Medium Film interessiert mich beinahe noch mehr als die Literatur, und ich würde wahnsinnig gerne erleben, wie ein Romanstoff von mir in dieses „übersetzt“ wird. Ehrlich gesagt wäre das für mich eine schönere Belohnung als alle Literaturpreise dieser Welt.

hhesse.de: Sie Sind unweit von Hermann Hesses Geburtsstadt Calw aufgewachsen. Wie stehen Sie zu seinen Werken und Themen?

Wieland: Mein erster Kontakt mit Hesse war der Roman „Unterm Rad“, den wir in der Schule lasen, und zwar zu einer Zeit, als das Lesen in meinem Leben keine große Rolle spielte. Die Melancholie und Tragik dieser Geschichte hat mich aber unerwartet gepackt – eine Art Erweckungserlebnis. Die regionale Nähe spielte dabei zwar keine zentrale Rolle, aber unterbewusst war sie sicherlich einer der Gründe, warum ich mich in Hesses Geschichten schnell heimisch fühlte. In der Folge verschlang ich mit großer Begeisterung „Narziß und Goldmund“, „Demian“, „In der alten Sonne“, „Siddharta“ und „Gertrud“, während ich ausgerechnet mit „Das Glasperlenspiel“ und „Der Steppenwolf“ nicht richtig warm wurde. Unabhängig davon war Hesse für mich ein wichtiger Wegbereiter auf meiner Reise zur Literatur, und zweifellos ist und bleibt er einer der größten und wichtigsten deutschsprachigen Schriftsteller überhaupt.

hhesse.de: Für viele hat 2020 wegen des Coronavirus zu vielen Veränderungen im Leben geführt. Wie hat die Pandemie Ihr „literarisches Leben“ beeinflusst?

Wieland: Die spürbarsten Auswirkungen betrafen natürlich ausgefallene Lesungen und die Absagen der Buchmessen in Leipzig und Frankfurt. Das war sehr bitter, weil es gerade diese Dinge sind, auf die man sich vor Erscheinen des Buches besonders freut. Zudem leiden darunter die Buchverkäufe, weil wichtige Werbeplattformen wegfallen, und selbstverständlich entgehen einem auch schlicht und ergreifend die Honorare. Da ich voll berufstätig bin – das Schreiben ist für mich letztlich ein Hobby –, sind meine Sorgen zumindest nicht existenziell. Vielen Kolleginnen und Kollegen geht es da allerdings anders, und so hoffen wir zusammen auf ein besseres Jahr 2021.

Vielen Dank, Herr Wieland, für dieses Gespräch!

Autor:in

Rich

hhesse.de's USA-Korrespondent und Mitglied seit der ersten Stunde. Wenn er nicht gerade hier ist, findet ihr ihn auf Facebook oder Instagram.

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