Materialreiche Ausstellung in Calw mit Briefen und Dokumenten zu Hermann Hesse und seinen Verlegern

 
 Hesse-Experte Herbert Schnierle-Lutz beim Arrangieren der Ausstellung im Calwer Hesse-Museum.
Foto: Giebenrath
 

Auch der spätere Literaturnobelpreisträger Hermann Hesse wusste zu Beginn seiner Karriere davon manches Lied zu singen. Dass jedoch ein Autor eigentlich der Schreiner einer solchen Tür sein kann, dafür ist Hesse ebenfalls ein Musterbeispiel. Besonders sinnfällig wird dies durch die jetzt eröffnete Ausstellung im Calwer Hermann-Hesse-Museum.

„Im Dienste der gemeinsamen Sache – Hermann Hesse und der Suhrkamp-Verlag“ ist der etwas sperrige Titel der materialreichen Sammlung, die zuvor schon an des Dichters Wohnorten Montagnola und Gaienhofen gezeigt wurde. Die Ausstellung in Hesses Geburtsstadt indes hat den Vorteil, besonders kompakt die vielen Briefe und Dokumente dem Besucher darbieten zu können. „Keinerlei Kompromisse mussten eingegangen werden“ freut sich der Literaturpädagoge und Hesse-Experte Herbert Schnierle-Lutz, der die sonst beklagenswerte Enge des Calwer Museums genutzt hat, um die Exponate zu einem ansprechenden Informationsbukett zu bündeln. Und in der Tat muss eine größere Verweildauer für den Besuch eingeplant werden, denn manche von Hesses Schreiben, Briefe seiner Verleger, seines Freundes Georg Reinhart oder Behördendokumente erfordern größere Aufmerksamkeit.

Reinhart hatte über Jahrzehnte hinweg den oft klammen Hesse finanziell unterstützt, was dieser sehr dankbar annahm, jedoch im bislang unveröffentlichten Gratulationsbrief zum 60. Geburtstag seines Mäzens im Jahr 1937 meinte: „…und wenn ein reicher Mann mit einem ärmeren befreundet ist oder Sympathien für ihn hat, so wird und muß das irgendwie auch in der Form des Geldes zum Ausdruck kommen.“ Jahre später schreibt der von vielen Neugierigen in Montagnola genervte Dichter in einem ebenfalls unveröffentlichten Brief an Reinhart über die Gaffer und sich selbst: „…und warten darauf, dass vielleicht das Tier in diesem zoologischen Garten sichtbar werde. Sie stehen und glotzen, und das Tier, falls es im Garten ist, muss sich immer wieder mäuschenstill hinter den Reben verborgen halten.“

Dokumentiert sind ebenfalls die Beziehungen Hesses zu seinem Verleger Samuel Fischer und dessen Nachfolger Beermann-Fischer, der als Jude von den Nazis zur Emigration gezwungen wurde. Peter Suhrkamp, der den Verlag dann leitete, wurde von der Gestapo ins KZ gesteckt und wurde kurz vor Kriegsende schwer krank aus der Haft entlassen. Er gründete nach dem Krieg auf Veranlassung Hesses und mit Reinhart als Kapitalgeber den Suhrkamp-Verlag. Die bis heute hohen Auflagezahlen an Hesse-Büchern setzten und setzen den Verlag instand, sein hochambitioniertes literarisches Programm zu entwickeln und auszubauen.

Ein besonderes Fundstück der Ausstellung ist ein niederträchtiger Zeitungsartikel aus dem Jahr 1934. Dort befindet ein gewisser Hermann Hiller: „Ein Beispiel aus der Deutschen Dichtung möge uns die Folgen der Mischrassigkeit veranschaulichen. Wir wählen hierzu den Halbjuden Hermann Hesse…“.Die Reaktion des Missionarssohnes aus Calw ist nicht bekannt, aber wer Hesses politische Schriften und vor allem sein „Glasperlenspiel“ gelesen hat, der weiß, wie sehr der Dichter von Anfang an den braunen Ungeist verachtet und bekämpft hat.

Sebastian Giebenrath

Die Ausstellung im Calwer Hermann-Hesse-Museum dauert bis zum 12. November, Finissage mit einem Vortrag des Hesse-Herausgebers Volker Michels.
Öffnungszeiten: dienstags bis sonntags 11 bis 17 Uhr

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