Ausstellung des unveröffentlichten Briefwechsels zwischen Hermann Hesse und seiner Calwer Cousine Fanny Schiler

 
 Kurator Herbert Schnierle-Lutz mit einem Hesse-Brief neben dem Portrait der Fanny Schiler von Richard Ziegler
 

Hermann Hesse, meistgedruckter deutschsprachiger Autor im 20. Jahrhundert, gehört zu dem Personenkreis, dem seit Jahrzehnten das Interesse vieler Biographen gegolten hat und folglich anzunehmen wäre, dass dieser Dichter kein unbekanntes Wesen mehr ist. Doch jetzt macht eine Sonderausstellung im Calwer Hermann-Hesse-Museum mit einem aufschlussreichen Briefwechsel vertraut, der bislang der Öffentlichkeit nicht zugänglich war. „Liebe Fanny, … herzlich, Dein Hermann“ ist die Ausstellung betitelt, die in vier Vitrinen und vielen chronologisch angeordneten Wandrahmen einen Einblick gewährt in die Korrespondenz zwischen dem im schweizerischen Montagnola residierenden Hesse und seiner 13 Jahre jüngeren, in Calw lebenden Cousine Fanny Schiler. Der Calwer Hesse-Experte Herbert Schnierle-Lutz konnte für diese Ausstellung auf die Privatsammlung von Marlies Bodamer zurückgreifen, der inzwischen 90-jährigen Großcousine von Hermann Hesse.

Nahezu 400 Briefe und Postkarten, oft mit kleinen Aquarellen geschmückt, ließ der Dichter in den Jahren 1930 bis 1962 seiner Base zukommen, die sich als Geigenlehrerin viel mit Musik beschäftigte und sich darüber auch brieflich mit ihrem Vetter austauschte. Fanny Schiler war ebenfalls eine eifrige Briefschreiberin; aus ihren Antworten ergibt sich auch ein Zeitgemälde des politischen Wandels in Deutschland. Einige der Exponate sind mit dicken blauen Strichen verunziert, Nachweis der Postzensur durch die Nazis.

Überraschend manchmal die abgeklärte Betrachtungsweise – so schreibt die 43-jährige Fanny: „Wir sind abendliche Menschen, die auf das Leben mit ganz anderen Gesichtspunkten blicken“. Hesse hingegen gibt sich mit Verweis auf seine Arbeit am „Glasperlenspiel“ im November 1939 altersmüde: „Wenn mein Tempo auch sehr senil geworden ist…“. Viel berichtet Hesse über seine Begegnungen mit Zeitgenossen wie Martin Buber, Hans Carossa, Rudolf Alexander Schröder. Vor allem erkundigt er sich immer wieder nach dem im Exil lebenden, aus Pforzheim gebürtigen Maler Richard Ziegler, dem Fanny Schiler später im Calwer „Steinhaus“ Unterkunft bot.

Konnte bis zu dieser Ausstellung angenommen werden, Hesse habe nur oberflächlichen Kontakt zu Ziegler gehabt, so erweist jetzt, wie intensiv Hesse die Beziehung gestaltete durch Büchersendungen und Briefe an den „deprimierten“ Künstler. Auch manch andere Neuigkeit ist dem Briefaustausch zwischen Base und Vetter zu entnehmen. Im Jahr 1950 schildert Hesse, er habe den berühmten Pianisten Edwin Fischer wieder einmal gehört, der als ganz junger Mann etliche der „Elisabeth“-Gedichte von Hesse vertont und sie dem Dichter sogar vorgespielt hat. Seine Heimatstadt Calw ist mit dem Literaturnobelpreisträger nicht immer besonders freundlich umgegangen. In einem Brief an den damaligen Calwer Bürgermeister führt Hesse im Jahr 1946 bewegte Klage über „Dutzende von Schmähbriefen“ und legte einen mit den Initialen G.B.S. gleich bei. Kein Hesse-Verehrer sollte diese Ausstellung versäumen.

Sonderausstellung im Calwer Hermann-Hesse-Museum bis 30. Juni.
Eröffnung am 21. Mai, 11,15 Uhr

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sebastian

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