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Maskenträger unserer Zeit

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Schwarze Mäntel drängen sich hastig in einer undefinierbaren Menge über die Gehsteige. Durch die Benzin getränkte Luft braust zwei mal in der Minute ein Flieger über sie hinweg, während die Träger der Kleidungsstücke zu einer grauen Maße verschwimmen und das einzelne Individuum seine Identität bereits in der U-Bahn zurück gelassen hat.
Wenn der Fuß die Schwelle zur Bahnhofshalle überschreitet wandeln sich die bleichen Gesichter in unpersönliche blasse Schemen.
Sie fügen ihren Körper anstandslos in die lange Reihe der dahin schreitenden Maskenträger ein und wischen jegliche Emotion von dem Spiegel ihrer Seele.
Eben noch gedachtes verblasst zu schalem Rauch, der gemeinsam mit dem dreckgefärbten Wolken, die aus den Fabriktürmen dringen an den schmierigen Wänden entlang durch die Gassen wabert.
Kein Blick gilt mehr den dösenden Pennern , die aneinandergedrängt zwischen Bier- und Weinflaschen unter großen, knalligen Plakaten kauern, die von Zins, Bankkonten und Geldanlage künden. Manchmal dringt ein einzelner Bestandteil, eine einzelne Farbe in das Blickfeld eines solchen Weltmenschen, der sich weder in seiner Hast, noch in seiner Erscheinung von den vielen anderen Weltmenschen um ihn her unterscheidet.
Und manchmal, kann das Kind, das im Haus nebenan durchs Fenster späht, das schwache Aufblitzen unterdrückter Schuld und verlorener Hoffnung erkennen, bevor der Ausdruck hinter dem Schein der Gleichgültigkeit verblasst und die einzelne Gestalt mit beschleunigten Schritten zwischen den grauen Mänteln schnell entschwindet.
Manches Mal leuchtet inmitten der eilenden Menschen ein roter Mantel auf !
Und obwohl ihn niemand zu beachten scheint, drehen sich doch beinah unmerklich die Köpfe der schreitenden, wenn er , einem lodernden Feuer gleich, an ihnen vorüber gleitet.
Aus den Augenwinkeln erblicken sie die Münze, die leise und unscheinbar in bittenden Hände fallt, während ihr Geräusch ungehört zwischen dem schnellen Klicken der Absätze auf dem Asphalt verhallt.
Vielleicht ist es das Zucken ihrer Mundwinkel, vielleicht aber auch der starre Blick, der sie verrät, wenn sie sich augenblicklich wieder ihren wichtigen Geschäften zuwenden und den aberwitzigen Wunsch, einmal selbst diesen roten Mantel zu tragen verächtlich, doch auch traurig, beiseite schieben.
Irgendwann verlässt schließlich auch das Kind am Fenster seinen Platz und reiht sich in die Menge der dahin schreitenden Maskenträger ein, während der letzte Wunsch, ebenso wie das Klingen der Münze, irgendwann erstirbt :
Würden sie doch nur ein Mal langsamer laufen !

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Nightinbird

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