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Im Botanischen Garten

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Ein Mann tritt in den Botanischen Garten, angespannt und abgehetzt, er ist müde. Er zögert kurz, schlendert nachdenklich über den Eingangsplatz, dann geht er plötzlich los, schnurstracks zur Asienanlage. Angekommen, er wäre fast gerannt, versucht einige Schilder zu lesen, so viel Latein, das versteht doch kein Mensch. Die Pflanzen versteht er, rankender Efeu, knorrige Büsche, so exotisch, sie erzählen ganze Geschichten. Es riecht hier auch ganz ungewohnt, man fühlt sich direkt anders. Er atmet tief, schöne Weite, fremde Ferne, ein wenig Träumen muss erlaubt sein.
Das geistige Auge wird weitsichtig und glasig, vor ihm verschwimmen die knorrigen Schemen der Bäume, der blasse Dunstschimmer der Stadt, es wird wärmer, feuchter, schwül geradezu, es dämmert, er sitzt auf samtenen Kissen und lässt sich blutroten Wein von den Lippen küssen. Wo bin ich, denkt der Mann, wer, was küsst mich, wieso ist der Wein schon leer, und wo ist eigentlich meine Pfeife? Gefunden, gepafft, er wird zum Drachen, lässt weißen Rauch, friedliche Wolken aus Mund und Nase quellen und ruft nach noch mehr Wein. Ein König von heroischer Statur ist er, ein Mann wie Donnerschlag, aber auf den Kissen wird er zum Frühlingswind und streichelt als solcher Knospen und Blüten. Chrysanthemen, Orchideen, Rosen wachsen zwischen fließendem Ebenholz, matt im schwachen Lampenschein, schwanken im zarten Liebeshauch unseres Heldenkönigs, ein Mann wie Regenschauer, schwarz wie tausendundeine Nacht sind seine Augen und Fingernägel, und rutschen schließlich und fallen auf die geschwungenen Hügel aus Elfenbein, als die man sich die weibliche Brust mit etwas Phantasie denken kann, und Phantasie hat dieser im kalten Dunst stehende Blumenräuber genug. Er denkt nicht viel, träumt eher, und lässt gerade Knospen blühen, aus denen weißer Rauch und schwarze Haare fliegen. Er ist glücklich.
Da wird vor ihm auf dem glänzenden Asphaltweg, zwischen den violetten und gelben Seidenvorhängen, eine Erscheinung im Nebel sichtbar: Grauer Mantel, graue Beine, schwarze Haare, weiße Haut. Was kommt sie hier so hereingeplatzt, fragt er sich, muss wohl etwas besonderes sein. Die Distanz nimmt ab, er kann ihre Augen sehen, wie braune Mandeln sehen sie aus, eine stolze Nase wie für eine Königin gemacht, ihr Mund erzählt auch geschlossen schon Geschichten. Da ist sie vorbei, unscheinbar, unmöglich, er blickt ihr nach und wundert sich. Wir übersetzen sein Wundern: So ganz per Akzidens im Okzident? Oder anders gesagt: Bist Du öfters hier? Oder anders: Etwa wegen mir? Wörtlich: Es könnte ja sein, dass. Wäre ein Zufall, aber warum nicht. Als König wird man doch noch mal träumen dürfen.
Sie ist nicht wegen ihm hier und weiß weder davon, dass sie gerade bedacht, noch dass sie beschrieben wird: Necim, Sahra, 06.03.81 Ashgabat, Deutsch; andere Seite: 164 cm, braun. Ledig, 52 kg, Buchhändlerin. Indirekte Charakterisierung S.s: vorsichtiger, aber fester Schritt, trägt grau, bequeme Kleidung, flache Schuhe, blass, in sich gesunkene Haltung, wache Augen.
Er ist fertig mit Wundern, es zieht ihn hinter ihr her, und ein klassischer Held, ein Mann wie Sturm und Drang, würde jetzt denken: Aus den Wolken bist Du mir gefallen, und hast mich dabei mitgerissen. Deine taubenetzten Haare wallen, sie zu küssen bin ich so beflissen. Beflissen bin ich, Dich zu küssen, auf Deinen mahrgenährten Mund, auf dass wir niemals scheiden müssen, selbst in ferner, dunkler Stund. Von Stund an sollst Du mir erzählen von tausendeinem Sinneswein, den schönsten werden wir erwählen und fließen in ein bessres Sein. ? Er aber denkt: So spät schon.
Und er beeilt sich, schreitet hinter seiner Erscheinung her, seiner Königin, wo war sie nur so lange gewesen? Ihm ist als würde sie schweben, über den nassen Asphalt, durch den Nebel, an Gewächshäusern vorbei, in die Höhe, in den Horizont, in die Heimat, die Sonne sticht, der Wüstenwind fährt ihr durch die Haare, Schuft, sie läuft jetzt auf heißem Sand, harten Gräsern, weiter, wohin? Ihm bricht es das Herz, dass sie weiterläuft, obwohl sie angekommen ist, immer schneller, als ob sie nur fort wollte. An verwitterten, bizarren Felsenformationen vorbei, da ein totes Kamel, da ein Schild, prunus laurocerasus, es verschwimmt alles und wird dunkelgrau. Was nieselt es in der Wüste?
Ein Stück weiter Richtung Ost-Nordost, in einer ganz anderen Welt, wird eine kleine, unscheinbare Person namens Sahra langsam unruhig und geht schneller. Was hatte der Mann denn so geguckt? Warum wird es gerade jetzt dunkel? Wohin? So viele Fragen schwirren ihr durch den Kopf, hinein und wieder hinaus, und obwohl so reger Verkehr herrscht, ruft ihr eine Stimme im Hinterkopf zu: Alles wird gut. Und die Stimme hat Recht, zumindest was die nächste halbe Stunde betrifft. Letzten Endes wird immer alles gut. Sahra läuft geradewegs in das Arboretum des Botanischen Gartens, sie hält das für eine gute Idee, schließlich mag sie Bäume, und wo sie schon mal hier ist, kann sie auch das Angenehme mit dem Nützlichen verbinden. Ihr Beruhigungsmantra: Eiche, Buche, Kiefer, Eiche, Birke, Ginkgo, Birke?
Neuen Mut gefasst, sie wollte nicht weglaufen, nicht fliehen, nicht in ferne Länder wo alles so viel schöner ist, sie wollte nur unter den Baldachin, der dort steht und schwankt, was nieselt es auch in der Wüste? Dort unten ist es trocken und es riecht nach Harz und Herbst, soll ihm recht sein, dort unten wartet ja sein Herz auf ihn, wo kann es nur so lange gewesen sein? Er fasst sich in die Tasche, wühlt kurz und schnieft.
Unter anderen Umständen, zu einer anderen Zeit, an einem anderen Ort, hätte die Geschichte so enden können, dass uns davon heute folgende Zeilen überliefert wären:

Was schimmerst noch, o kalter Stahl,
So blutig schwarz und vorwurfsvoll?
Das Zittern meiner Hände spricht
Von Reue doch so sehnsuchtsvoll.
Nun fällt der Dolch mit klarem Klang
Hinein zum Blut- und Blütenstrom,
Lasst mich folgen, o ihr Götter,
Ihr ins Reich des Thanatos,
Büßen möcht? ich, weinen werd? ich,
Seit? an Seit? mit der Verflossnen,
In Ewigkeit und frei von Schuld ?
Schimmer mir, o kalter Stahl!

Ein schönes Ende wäre es, mit Mord und Sühne und antiken Göttern, jedoch befinden wir uns hier im Arboretum eines Botanischen Gartens im kalten, wolken- und nebelverhangenen Deutschland, und keineswegs unter mediterraner Sonne, die die Dolche so leichtgängig macht und die Menschen so rachsüchtig und bußfertig. Es ist 17 Uhr und 31 Minuten und 12 Sekunden an einem Mittwoch im 21. Jahrhundert, es nieselt und niemand ist bewaffnet. Es sind zwar starke, geradezu klassische Gefühle vorhanden, die sich auch gut in einem Epos machen würden, ohne dabei aufzufallen ? es sind keine deutschen Gefühle, man erkennt sie nicht ? aber niemand, vielleicht abgesehen von einem griechischen Tragödiendichter, käme auf die Idee, diese literarisch umzusetzen, immerhin stirbt ja nicht mal jemand. Kurz gesagt, obige Zeilen wurden nie gedichtet und treffen auf dieses Geschehen auch nicht zu.
Während dieser Präsentation eines alternativen Endes huscht Sahra durch den teilnahmslosen Mischwald des Arboretums, langsam aber sicher hat ihre anfängliche Beunruhigung einer stattlichen Angst Platz gemacht, wie sie beispielsweise Desdemona an ihrem letzten Abend nicht stärker empfunden haben kann. Zum Glück hat Sahra zurzeit andere Gedanken und weiß ohnehin nicht, wer Desdemona ist, wir wollen sie auch nicht weiter beunruhigen, sie schwitzt sowieso schon genug. Sie ärgert sich, dass sie den Weg zurück in den Lampenschein nicht findet, sie hat es sich anders überlegt, die Bäume beruhigen sie nicht mehr, schimpft sich in ihren Gedanken selber ein aufgeschrecktes Huhn, versucht sich zu beruhigen, atmet die feuchte Luft tief und fest ein, hustet, hustet, nur keinen Lärm machen, er ist nicht weit.
Er hört ein Husten, aber seine Königin hustet nicht, sie ist gesund. Aus ihrem Mund kommen nur liebliche Töne, die feine Geschichten formen, manchmal können sie auch düster sein, aber bitte nicht immer, man will ja auch mal träumen können, und Küsse, jeder für sich gesprächig wie ein Buch (unbebildert, broschiert, ca. 400 Seiten).
Da raschelt es halb links, ein Rascheln kann schon eher sein, rascheln darf sie schon. Ist aber nur eine Elster, kusch, und weg ist sie, diebisches Vieh, wo kämen wir denn da hin, wenn jeder stehlen würde. Er echauffiert sich ein wenig, ist indigniert über die eklatante Abwesenheit von Moral, er drückt es allerdings so aus: Drecksdiebe. Er erwägt kurz, zukünftig seinen königlichen Säbel zu benutzen, um Dieben die Hände, eigenhändig, das würde er selber tun, selbst ist der Mann, abzuhacken, aber dann fällt ihm auf, dass es in seinem Reich gar keine Diebstähle gibt, muss an den Elstern liegen, die klauen alles weg und kommen damit davon.
Zu spät hört sie das leise Fluchen, Sahra läuft im Nebel breitseitig in den pikierten Mann, der erschrickt, guckt, atmet tief und dampfend, guckt, mustert die kleine Gestalt vor ihm von oben bis unten, sie ist keine Elster, das ist gut, sie ist seine Königin, das ist sehr gut. Sie ist erstarrt, kann ihre Füße nicht dazu bewegen, sich zu bewegen, nur starren, fürchten und nicht atmen. Hier ist es ein Moment von äußerster Spannung, die Erwartung des schrecklichen, unaussprechlichen Unausweichlichen, der Augenblick zwischen Blitz und Donnerschlag, dort ist es ein höchst königlicher Moment, würdevolle Anerkennung, zeitlose Stille, die so viel sagt, wir stehen zwar im Regen, aber es kümmert uns nicht. Dann sind beide Momente vorbei, er nimmt sie bei der Hand, wie zart! und wie bescheiden!, sie schließt ihre Augen und vorsichtshalber alle Sinne, ich bin gar nicht hier, es ist gleich vorbei, da sitzt sie schon auf einem Baumstamm, eine Buche, Blitzschlag, hier liegt sie noch, und nichts geschieht. Es ist still, der Nieselregen rauscht, aber vielleicht ist das auch nur das Blut in den Ohren.
In Sahras Kopf lässt das Hämmern langsam nach, sie schmult, will wissen, was passiert, sieht ihn sitzen, den großen Mann mit den nassen Haaren im Gesicht, sitzen vor ihr im Matsch, er schaut zu ihr hinauf, fragend, bald bettelnd, sich dann wieder einer Würde erinnernd, die nicht verdecken kann, dass er vor ihr im Dreck sitzt und wartet. Sie traut sich, ihn zu mustern, er schaut ihr geduldig in die Augen, ist groß, stämmig, plump, hat ein unauffälliges Gesicht. Er scheint nicht die Art von Person zu sein, die hier mit ihr sitzen sollte. In Sahra kommt auf Ruhe, Gelassenheit, wird schon nicht, da eine Spur von Mitleid, sollte ich etwa? Mutig wartet sie und wartet.
Es raschelt und rauscht weiter, jetzt ist es der Wald, das Herz ist abgekühlt, leise rauscht es um sie herum, da macht er seinen Mund auf und es raschelt. Was hat er gesagt? So leise. Erzählen soll die Sahra. Erzählen? Sie schaut, und sein Blick sagt Ja. Nach innen ist er gerichtet, passiv, Erzähl, ich werde zuhören. Kraftlos und resigniert. Ich bin gar nicht hier. Da denkt Sahra, die eben noch vor Angst Gelähmte, das kann nicht sein, ich muss erzählen, sonst kippt der mir noch um. Mir ist ja auch schon ganz schwach.
Sie öffnet ihren kaum mahrgenährten Mund, eher knochentrocken ist er und nun hungrig, will reden, aber was? und stößt nur eine wirbelnde Dampfwolke aus, ein Wunder der Natur, aber in dieser Situation wenig nützlich. Ich muss, denkt sie, aber was? Er zuckt mit den Schultern, eine Geschichte oder keine Geschichte, zuckt. Sahra zuckt ebenfalls mit ihren schmalen Schultern und denkt nicht, sie erzählt. Geboren, sagt sie, noch eher schweigend als sprechend, räuspert sich, bin ich in Ashgabat, da haben, das ist die Hauptstadt von Turkmenistan, da bin ich aufgewachsen. Ich kann mich aber nicht mehr daran erinnern. Sahra macht eine Pause, um sicherzugehen, dass sie sich tatsächlich nicht mehr erinnert, es ist alles weg. Dann sind meine Eltern geflohen. Sie sagen, es war nicht mehr auszuhalten. Die Flucht war schwer, aber wir haben es geschafft. Ich war drei, als wir nach Deutschland kamen. ? Auf dem Gesicht des Mannes unten am Boden zeigt sich ein Ausdruck von gespanntem Zuhören. Sahra ist überrascht, dass sie ihn nicht langweilt, sie langweilt die Menschen oft.
Ein Zelt in der Steppe zwischen grauen, fließenden Hügeln. Nacht, oben leuchtet ein heller Stern über dem von innen erleuchteten Zelt. Kindergeschrei ist zu hören, ein Neugeborenes, dann Dunkelheit. Morgengrauen, ein kleines Mädchen spielt vor dem Zelt, da kommen über die Hügel dunkle Punkte, Reiter mit Waffen und verwirrtem Blutdurst in den Augen. Und die anderen Punkte sprechen: Männer des Kalifen machen uns das Leben unmöglich, wir müssen das Land unserer Väter verlassen, komm, meine Strahlende. Und sie fliehen ins Dunkel, die Reiter töten sich gegenseitig.
Weiter Sahras Stimme: Wir hatten Glück und konnten Fuß fassen. Meine Eltern konnten meine Geschwister und mich gut versorgen, sie führten ein kleines Geschäft, wir lernten die Sprache und ich ging in die Schule. In der Heimat, in der alten Heimat war ich danach nie wieder.
Eine Blume, Mohn, papaver somniferum, wird aus schwarzer, staubiger Erde gerissen, unten hängen schlaff die Wurzeln, und wieder eingepflanzt, in einem Blumenkasten zwischen Dünger und Stiefmütterchen, viola tricolor. Sie hat gelitten, sieht gerupft aus, erholt sich aber bald vollständig, blüht schöner als zuvor und schaut immerzu nach Osten.
Der schöne Symbolismus wird von der anhaltenden Stille gestört. Der Mann erwacht aus seinen Gedanken, vor ihm sitzt Sahra und schaut abwesend durch ihn hindurch. Welche Würde doch in ihrem Blick liegt, welch tiefer etc. pp.! Die Zeit ist knapp, er räuspert sich, sie erschrickt. Schaut in das Zwielicht des Waldes und spricht weiter: Ich, ich habe es selbst immer gemocht, Geschichten zu hören. Märchen am liebsten, von dunklen, geheimnisvollen Zeiten, mystischen Kräften und düstren Gestalten. Grimm fand ich immer schön und Andersen. Selber erzählt habe ich nie, es gab ja auch nie was. ? Er schaut sie verwirrt an, denkt, fragt aber nicht, was redet meine Königin da? Sollte er wütend sein oder Mitleid empfinden, will oder kann sie nicht? Da erinnert er sich, gerupft und vertrieben, die Arme. Komm in meine, möchte er ihr zurufen, lass mich deine Bürde tragen, erzählen, sie trösten, aber er kann nicht, er sitzt hier unten.
Ich hatte eine Freundin, die hat mir immer von ihren Reisen erzählt. Wo sie nicht überall war. Frankreich, Italien, Griechenland, überall in Europa, Ägypten, sogar in meiner alten Heimat. Sie hat mir einen Stein mitgebracht, da musste ich? Dann hab ich mir jedes Mal, nach jeder Erzählung, lag ich wach und habe mir ihre Schilderungen ausgemalt, sie wusste gar nicht, dass es mir so wichtig war. Jedes Detail habe ich behalten, jedes Wort hat sich mir ins Gedächtnis gebrannt. ? Der Mann lauscht gebannt, er bemerkt gar nicht, dass er sich neben Sahra setzt, sie auch nicht. Sie seufzt.
Jetzt trinke ich so gerne italienischen Wein oder französischen oder esse türkisch und bilde mir ein, dort zu sein. Es gelingt auch ganz gut, aber irgendwo weiß ich immer, dass auch das nur Erzählungen sind. Dann trinke ich noch mehr und vergesse einfach alles. Manchmal tut mir jedes Wort weh, alles erinnert mich.
Er atmet tief ein, es wirbelt in ihm, nur ruhig, da fließt ihm ihr Geruch in die Nase. Röche sie doch nur nach Moschus oder Palmöl oder Kameldung, aber gelogen hat sie nicht, sie riecht nach nichts, mit einem Hauch von Schweiß, wer kann es ihr übel nehmen. Sie redet jetzt selbstständig, weiß vielleicht nicht mehr, mit wem.
Manchmal frage ich mich, ich überlege, ob ich nicht auch etwas habe, etwas das ich erzählen könnte. Mein Lebenslauf ist langweilig, und überhaupt kann ich mich nicht mal dran erinnern. Alles was ich tue ist langweilig. Ich bin langweilig. Jeder schöne Moment kommt mir glanzlos vor. Ich könnte nicht davon erzählen, meistens sind sie so schnell vorbei, dass ich sie gleich wieder vergesse.
Er weiß nicht, was er tun soll, sie redet wirr, er kann sie nicht so traurig, oder ist sie wütend, oder verrückt, sehen, er möchte, dass es ihr besser geht, sie soll nicht so reden, seine schwarzhaarige, mandeläugige Königin, die neben ihm auf einem Baumstamm im Regen sitzt und deren Namen er nicht kennt. Er fühlt sich schuldig, was hat er nur angerichtet, die arme Fremde. Was kann ich tun, will ihre Hand nehmen, nur ruhig sein, es wird schon, nimmt sie, piep, sie schaut, piep, und ist still, piep piep piep. Was piept denn da, schon so spät, zu spät! Der Mann springt auf, drückt an seinem Handgelenk herum und eilt davon, er verabschiedet sich nicht, hat es eilig.
Sahra sitzt erstaunt da, sie hat den Mann zum letzten Mal gesehen, das weiß sie aber nicht, sie weiß nur, dass sie es nicht versteht. Vielleicht, ja, ganz sicher, war sie zu aufdringlich gewesen, was hatte sie ihm nur alles erzählt, der Arme ist ja gar nicht zu Wort gekommen. Was kann er nur gewollt haben? Sie steht auf, verlässt langsam das Arboretum, den Botanischen Garten, steigt in den Bus, fährt davon, sie ist so müde, sie muss träumen.

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Autor:in

vitus

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