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Emil Vogel

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Emil Vogel

Ich erwachte aus einem merkwürdigen Traum. Da war meine Heimatstadt und ich schlenderte durch die Straßen und Gassen. Doch ein Gefühl der Fremde ereilte mich und den Menschen, denen ich begegnete, teilte ich verschiedene Eigenschaften meiner selbst zu. Dem Bäcker den Lebensdrang, dem Floristen meinen Sexualtrieb und den Schaffensdrang, dem Kind meine Freude auf ein bevorstehendes Weihnachtsfest, dem Schmied die Härte, die ich gegenüber anderen zeigte und die Liebe, das Glücklichsein und all das Schöne, was mich hin und wieder aus den Tiefen in die Höhe peitschte, einem kleinen Mädchen, das mit strahlenden unschuldigen Augen eine Puppe in einem Schaufenster betrachtete.
Doch dieses Gefühl der Fremde hielt mich in seinem Bann, aus dem ich nicht entrinnen konnte. Wieso fühlte ich mich in meiner Stadt, die ich Heimat nannte, so weit entfernt, allein und unsicher. Allmählich verstärkte sich meine Unsicherheit, Angst und Panik ergriffen mich. Da wachte ich schließlich schweißgebadet auf.

Verschiedene Gedanken schienen direkt vom Universum in meinen Kopf zu stürzen und verbreiteten dort ein wirres Durcheinander. Wahre Fontänen von Gedankensprüngen kamen über mich. Es war schwer Ordnung in dieses Chaos, das dennoch von irgendeiner Macht, so schien mir, gesteuert wurde, zu bringen.

Endlich kam ich wieder zu mir. Was hatte das alles zu bedeuten? Ich studierte etwa zwei Stunden, doch eine Antwort blieb mir verwehrt. Die Müdigkeit ereilte mich schließlich und ich fiel in einen tiefen Schlaf, der traumlos blieb.
Die Sonnenstrahlen, die durch die Jalousien meine Haut angenehm erwärmten, erweckten mich aus einer Nacht, die mein ganzes Leben verändern würde, obwohl mir zu diesem Zeitpunkt noch nicht klar war, was das für mich bedeuten würde.

Heute beschloss ich in ein nahe gelegenes Kaffeehaus zu gehen, um dort mein Frühstück einzunehmen, sowie mich über die Neuigkeiten aus aller Welt, aus einer Tageszeitung, zu erkundigen. Ich streifte mein Hemd über, suchte eine neue Hose, die einen angenehm weichen und bequemen Stoff hatte, und machte mich auf den Weg.
Es war etwa 8 Uhr als ich das Wohnhaus verließ.
Außer mir lebten noch eine ausländische Familie, bestehend aus vier Kindern, die unten im Hof gerne spielten und dabei die Ruhe, der noch anwesenden Hausbewohner störten, ein alter Mann, der Herr Koller, der bereits in Pension war, früher arbeitete er als Beamter in der Bezirksverwaltung, zwei weitere Familien, ein Junggeselle, der ab und zu Damenbesuche hatte, ein junges Fräulein, die Anna, die sehr höflich und mir besonders sympathisch war, wegen ihrer Art mit den Menschen umzugehen und ihnen zuzuhören, und der Hauswart, ein strenger Mann, der tagtäglich irgendetwas auszusetzen hatte. Entweder beschimpfte er die ausländische Familie, weil sie oft in Rückstand mit der Miete kam, weil sie sehr in Geldnot war und die Löhne für Gastarbeiter, die sich sehr bemühten ihre Arbeit mit äußerster Sorgfalt und Genauigkeit auszuführen, sehr gering waren, oder er äußerte seinen Unmut über die Verhältnisse im Haus, die er als „asozial und unordentlich“ bezeichnete. Ich versuchte, so oft es nur möglich war, ihm aus dem Weg zu gehen. Ich mochte ihn nicht besonders, und dabei war ich nicht der einzige in diesem Haus. Die wenigen Gespräche, die ich mit ihm führte, waren sehr von einer gewissen Xenophobie und einem allgemeinen Hass auf die Menschheit geprägt. Woher dieser Hass kam, erfuhr ich jedoch nie, ich machte mir darüber auch keinerlei Gedanken.

Um zehn Minuten nach acht betrat ich das Kaffeehaus. Es war eines dieser typischen alten Wiener Kaffeehäuser, das einem das Gefühl von Anonymität und dennoch Dazugehörigkeit verschaffte. Altes holzbeschlagenes Mobiliar, ein Billardtisch und ein Kamin füllten das Lokal aus. Außerdem lag der Geruch von frisch zubereitetem Kaffee in der Luft. Das Licht hier gefiel mir sehr, es glich dem Licht, der Abenddämmerung, obwohl es doch frisch und wach machte. Vor allem die Stimmung, in diesem speziellen Kaffeehaus, erhellte mein Herz. Ich liebte die Geräusche, die Geschirr machte, das Flüstern und Lachen der Gäste, die Einsamen, die ihre Zeitung lasen, die Kinder, die ihre Eltern ärgerten, weil sie im Lokal herumtollten, all das und die schönen alten Bilder, die wunderbare Landschaften darstellten. Eines dieser Bilder faszinierte mich besonders, es zeigte einen Berg, fast schien er aus dem Nichts aus der flachen Einöde zu ragen, dennoch war er nicht allein. Dieser Berg symbolisierte für mich einen Wanderer, der in die Ferne gegangen war, um Erfahrung und Selbsterkenntnis zu gewinnen. Ich stellte mir immer vor, wie er Abschied von seinen Genossen im Himalaja nahm und hier auf Wanderung ging. Wie sehr ich diesem Berg glich, erfuhr ich erst Jahre später.

„Guten Morgen, Herr Vogel! Was darf´s den heute sein – das Übliche, eine Melange und ein kleines Frühstück?“, begrüßte mich Herr Krummnußbaum, der Inhaber dieses Kaffeehauses.
„Guten Tag! Ja, ich nehme Ihren vorzüglichen Vorschlag an und möchte noch eine Tageszeitung, Sie wissen schon, welche ich gerne durchblättere.“, erwiderte ich.
„Wie Sie wünschen. Ist es nicht ein prachtvoller Tag heute, die Sonne scheint wiedergeboren zu sein, so jung und lebendig wirkt sie heute.“, schwärmte der Geschäftsführer.
„Sie sind ein wahrer Romantiker. Wie Sie es immer wieder schaffen den Nagel auf den Kopf zu treffen, erfreut mich von Tag zu Tag mehr. Wundervoll ist es wohl, doch in dieser Nacht hatte ich einen merkwürdigen Traum, dessen Bedeutung mir noch nicht klar wurde.“
„Ach, wissen Sie, was sind denn Träume, nichts weiter als Fantasien, solange man sie nicht versucht in die Wirklichkeit umzusetzen, jedoch sollte man dabei aufpassen, dass man nicht die falschen Träume verwirklicht, das kann nämlich schlimm enden. Verstehen Sie mich nicht falsch, ich meine jeder sollte seinen Traum haben, doch ob er ihn verfolgen sollte - ich weiß nicht – es ist eine schwere Entscheidung, die Geduld und vor allem der genauen Überlegung bedarf.“, sagte er, ohne jedoch meinen Traum zu kennen und sich ein Urteil machen zu können. Ich beschloss ihm nichts weiter zu erzählen und dankte für seine weisen Worte, die mir aber in meiner Lage nicht sehr hilfreich waren.
„Na gut, genug geplaudert. Ich schicke Ihnen eine meiner nettesten Kellnerinnen wegen des Kaffees und dem Frühstück, die Zeitung werde ich persönlich für Sie aussuchen. Ich wünsche Ihnen einen angenehmen Tag. Ach, das Wetter ist wirklich wunderbar.“, mit diesen Worten machte sich Herr Krumnußbaum an seine Arbeit. Er war überaus nett und strahlte auf alle Gäste eine Fröhlichkeit aus, die ansteckend war. Auch konnte man mit ihm über alle möglichen Dinge sprechen, er war sehr belesen, wusste immer das Neueste, was in der Stadt passierte. Ich hatte ihn ganz einfach gern, doch er war kein Mensch, der gerne zuhören wollte, ich glaube sogar, dass er für diese Art der Konversation, das Aufnehmen von anderen Gedanken, Sorgen oder einfach nur die Freude, die Menschen vermitteln wollen, nicht geboren war. Aus diesem Grunde gingen meine Gespräche mit ihm nie in tiefere Sphären und blieben schön an der Oberfläche. Aber er ist nicht allein mit seiner Einstellung. Wahre Zuhörer findet man kaum mehr in unserer Welt, die von Hektik, vielen Terminen und Stress geplagt wird. Ein guter Zuhörer nimmt Anteil an den Gefühlen anderer. Er braucht nur dazusein, keine Ratschläge werden erwartet, nur ein Nicken hin und wieder, oder ein freundliches Lächeln, mehr braucht es nicht, um sich als guter Zuhörer auszuzeichnen.

Das Frühstück schmeckte hervorragend, die Zeitungen berichteten nichts Außergewöhnliches, das übliche politische Hickhack der Großparteien, diese wirklich öden Wahlkampfdebatten, die Versprechen ohne Gültigkeit gaben. Ich hatte der Politik in diesen Zeiten den Rücken gekehrt und wollte mich um wichtigere Dinge im Leben befassen, ehe ich mich sinnlos über diese oder jene Partei aufregte. Ich hatte zwar meine politische Richtung und wusste welche Ziele die jeweilige Partei hatte.
Beim Durchblättern der Zeitung störten mich die unzähligen Werbungen sehr. Mir war klar, dass sie für die Wirtschaft wichtig waren, dennoch bezeichnete ich sie, als „Müll“, der die Menschen von allem möglichen überzeugen sollte, um ihr hart verdientes Geld an den Mann zu bringen. Dieser „Müll“ verschmutzte die reinen Gedanken derer, die nicht gelernt hatten sich eine eigene Meinung zu bilden und ihr „Köpfchen“ zu benutzen. Ich wollte Information und erhielt Tipps, wie ich meine Wohnung preiswert einrichten konnte. Immer billiger, besser, schneller diese neue Welt. Es blieb kaum mehr Zeit für das Wichtige im Leben, die Ruhe, das stille Nachdenken, das Bei-sich-selbst-Sein, völlig allein, von der Welt abheben zu können, das wollte ich, doch ein fester Strick umklammerte mich und hielt mich zurück. Ich wollte entfliehen.

Da fiel mir mein Traum von gestern wieder ein, hatte das Fremde etwa genau dieses Gefühl der Flucht gemeint, sollte ich meine Stadt verlassen, einen neuen besseren, jedoch auch steileren und beschwerlicheren Weg einschlagen? Ich musste eine Entscheidung treffen, überlegte und beschloss diese wichtige Wahl, die vor mir stand, in einer anderen, mir angenehmeren Umgebung, zu treffen.
Ich bezahlte und tauschte ein paar Nettigkeiten, die mir oft als angelegte Maske vorkamen, mit dem Personal aus, und machte mich auf den Heimweg. Wirklich es war ein fabelhafter Tag für eine Entscheidung, die Sonne war wiedergeboren, sollte ich auch eine Wiedergeburt durchleben?

Als ich in meiner Wohnung war, beschloss ich erst einmal Abstand von meinen letzten Gedanken zu gewinnen und mich einem Buch zu widmen. „Hesse“ war einer meiner Lieblingsautoren, ich liebte seine Art, wie er die Schicksale der Menschen beschrieb, bei ihm konnte ich völlig abschalten.

Zu Mittag wollte ich im Freien ein kleines Picknick abhalten und mich meiner Entscheidung stellen, lange genug hatte ich gewartet, das aufgeschoben, was bereits erledigt werden musste. Ich gab einige belegte Brote, mit Käse und frischer Salami und Salat in einen Korb und machte mir einen Grünen Tee, der mich sowohl beruhigen, als auch erfrischen sollte.
Der Park war etwa in einer halben Stunde zu Fuß zu erreichen. Dort war ich oft, wenn ich die Natur spüren wollte. Vielerlei Vogelarten lebten dort und vollführten ihre melodischen Balzgesänge. Das Farbenspiel ihrer Federn konnte ich stundenlang beobachten. Hier hatte ich meine Ruhe, konnte philosophieren, etwas lesen oder einfach nur der Beobachter der Natur sein.
Ich genoss es heute wirklich, obwohl ich etwas Wichtiges zu beschließen hatte, was genau, das hatte ich mir noch gar nicht überlegt, doch es würde mein Leben verändern, soviel stand fest.

Nach dem Speisen schloss ich meine Augen und drehte meinen Kopf Richtung Sonne. Unter meinen Augenlidern verschwammen helle Farben ineinander und bildeten dort wunderbare Figuren und Gestalten. Ich war tief konzentriert und hörte daher auch nicht das Rufen des Mädchens, das mit mir im selben Haus wohnte. Sie kam näher, schlich sich beinahe an mich heran.
„Wunderschönen guten Tag!“, rief Anna, “schlafen Sie?“
Ich erschrak und sprang auf.
„Ach, du bist es. Nein du hast mich nicht geweckt, ich war gerade so vertieft in meine Gedanken, dass ich die Welt um mich herum einfach vergessen habe. Tut mir leid.“, sagte ich.
„Sie brauchen sich doch nicht zu entschuldigen. Die einzige, die sich entschuldigen müsste bin ich, da ich Sie aus ihrer Meditation herausgerissen habe, wie ein Eierdieb, der die Nester plündert. Entschuldigen Sie die Frage, aber Sie wirken ein wenig blass, ist etwas Schlimmes vorgefallen?“
„Nein, nein, nur...“, ich stockte, weil ich mir unsicher war, ob ich ihr erzählen sollte, was meine Entscheidung betraf. Ich fuhr fort: „Die Sonne wird mir gut tun. Ich habe wohl was Schlechtes gegessen,“, log ich.
„Sie können mir nichts vormachen, ich kenne Sie. Wollen Sie uns verlassen?“, schoss plötzlich aus ihrem Mund und durchbohrte meine äußere Schutzschicht, von der ich glaubte, dass sie meine Geheimnisse verbergen konnte.
„Wie kommst du darauf? Ja, du hast Recht, ich sitze hier und meditiere, um mir eine Entscheidung leichter zu machen. Meine Wahl besteht daraus, dass ich entweder auf eine lange Reise gehen werde, deren Ziel noch nicht klar ist, oder dass ich mein jetziges Leben so weiterführe, wie bisher.“
„Was überlegen Sie da noch lange, an Ihrer Stelle wäre ich bereits auf dem Weg ins Ungewisse, Abenteuer erwarten Sie, Neues, Schönes aber auch schreckliche Dinge können Ihnen wiederfahren. Doch ich bin mir sicher das Positive überwiegt immer über das Negative, jedes Schicksal hat sein gutes Ende, ob dieses in diesem Leben, oder in einem anderen Leben erreicht wird ist ungewiss. Ich bin davon überzeugt und nehme aus allem Schlechten das heraus, was mich auf den richtigen Weg zurückwirft.“
„So leicht. Ich weiß nicht, doch das was ich weiß ist, dass das Leben aus einem stetigen Suchen besteht, nein das ist falsch, aus einem stetigen Finden. Ein Suchender wird nämlich schnell das Verlorene übersehen, weil er zuviel damit beschäftigt ist, danach Ausschau zu halten, was direkt vor seinen Augen ist. Mein Weg, dein Weg unserer aller Weg ist niemals geradlinig – wie du selbst sagst – wir können abweichen, eine andere Route einschlagen, das Ziel am Anfang verfehlen und ein besseres finden.“, sprach ich und gab mir damit die Antwort auf meine Entscheidung – ich wollte auf eine Reise, in das Ungewisse und in das dennoch ewig Dagewesene, gehen.
Abschließend bat ich das Mädchen, dass sie meine Entscheidung vorerst geheim halten sollte. Sie schwor mir dieses Geheimnis für sich zu behalten, es in ihrem Innersten einzuschließen, bis ich ihr die Erlaubnis gab es aller Welt preiszugeben.
Warum ich ein so großes Geheimnis aus dieser Sache machte, war mir nicht klar, doch die Vernunft in mir sagte, dass Geheimhaltung ein wichtiger Bestandteil dieser Reise war. Natürlich nur bis zu dem Tag, an dem ich abreise, die Vergangenheit Vergangenheit bleiben ließ und dem Aufwiedersehen sagte, was ich 34 Jahre mein zu Hause nannte.
Die Entscheidung war also getroffen. Kein Zweifel war in mir, dass ich die falsche Wahl getroffen hatte, nichts konnte meine Entscheidung revidieren. Bekräftigt wurde sie dadurch, dass ich nun den Traum dieser letzten Nacht deuten konnte. Ich ging nicht auf eine Reise, um meiner Heimat zu entfliehen, sondern um diese Heimat, die keine war, dies war nämlich das Gefühl der Fremde in meinem Traum, nichtig zu machen, um unbelastet eine neue Heimat zu finden. Ob diese besser sein wird, als meine Scheinheimat wird sich zeigen. Doch bis dahin werde ich noch viel Zeit haben, um meine Gedanken und Gefühle ineinander verschmelzen zu lassen, um so eins zu werden. Außer meinen Gedanken und Gefühlen wollte ich die ganze Welt in mich aufsaugen, alles herum, jedermann in mir vereinen – jetzt hatte ich ein Ziel.
Anna, die inzwischen einen Spaziergang gemacht hatte, kehrte zu mir zurück und wir unterhielten uns. Ich sagte:
„Wie weise bist du mit deinen 20 Jahren, wohl weiser als ich jemals werden kann. Doch pass auf, dass das Leben dich nicht verdirbt, dir das wegnimmt, was du bereits besitzt. Es kann grausam, als auch wunderbar sein.“
„Ich weise? Was ich ausspreche sind Gefühle und Sehnsüchte, einer Frau, nein eines Mädchens, das auch ausbrechen möchte aus dem tristen Alltag, das fortgehen möchte, neues kennen lernen, die Dinge mit anderen Augen sehen möchte. Weisheit hat damit nichts zu tun. Es ist mein kindlicher Instinkt, der mich diese Sachen sagen lässt und mich durch die Welt wohl oder übel schlägt. Doch die Welt für mich ist sehr beschränkt, ich kenne bloß diese Stadt und seine Umgebung. Ein wenig bin ich umhergekommen, war aber noch nie im Ausland. Ich und weise, da muss ich Ihnen leider widersprechen. Wie ein Kind bin ich, dass manchmal etwas Gutes tut, doch im Gegenzug auch Schlechtes verbreitet.“, erwiderte sie.
„Sind es nicht gerade die Gefühle, die in unserer Zeit abhanden kommen? Du bist gesegnet mit diesen und deine Entscheidungen können nicht falsch sein, weil Gefühle niemals lügen. Es ist ihre Art die Wahrheit zu sagen. Sieh dir ein verliebtes Paar an, sie sind glücklich, doch nicht weil sie sich selbst belügen, im Gegenteil weil sie offen sind und frei. Wahrheit, wie oft suchte ich danach, doch es ist schwierig sie zu finden. Die Menschen ziehen Masken über, um „normal“ zu gelten. Sie spielen Fröhlichkeit und Heiterkeit vor und sind tief in ihrem Herzen krank und blass. Was ich bei dir schätze ist die Art, wie du den Menschen zuhören kannst, so offen und unbeschwert. Selten treffe ich jemanden wie dich. Du bist etwas Besonderes und mächtig, nur durch dein Zuhören.“
Wir verstummten, genossen den sonnigen Tag, die Natur, die Kinder, die mit ihren Eltern einen Spaziergang durch den Park machten – es war eine schöne Welt. Dieser Tag hatte sich in mein Gedächtnis gebrannt, wie das Eisen auf dem Rind.
Der Nachmittag ging zur Neige, Anna hatte mich bereits verlassen, weil sie noch etwas Dringendes erledigen müsste, was es sei, sagte sie mir allerdings nicht, und auch ich machte mich auf den Heimweg.
Jetzt, wie ich durch die Straßen und Gassen ging, befiel mich wieder das Gefühl der Fremde, das ich in meinem Traum hatte, und mir wurde klar, dass meine Entscheidung nicht meine eigene, sondern eine vorherbestimmte war. Die Stadt G., meine Heimatstadt, sah ich mit anderen Augen, wie ein Tourist, der weiß, dass er hier ein paar Tage rasten werde, um dann wieder aufzubrechen. Das Gesehene wurde zum Ungesehenen.
„Wo war ich?“, dachte ich.

Zuhause angekommen, erwartete mich bereits der Hauswart. Wie üblich war er schlecht gelaunt und wies mich zurecht, dass ich meinen Müll immer donnerstags und nicht montags ausleeren sollte. Ich sagte ihm, dass es nie wieder vorkommen würde – wie recht ich behalten würde – nie wieder, jetzt begann eine neue Zeit.

In meiner Wohnung angelangt, kamen alte Erinnerungen in mir auf. Ich durchlebte meine Kindheit, meine Jugend und mein allmähliches Erwachsenwerden in kürzester Zeit noch einmal. Dabei stellte ich fest, dass ich hier nichts Wichtiges aufgeben werde, ich hatte keine tieferen sozialen Bindungen, bis auf Anna, mit der ich manchmal Gedanken austauschte, mein Beruf war mir zur Last geworden, diese einseitige Arbeit in diesem Büro. Ich war für die Buchhaltung und den Briefverkehr verantwortlich, manchmal bei Sitzungen mit Großkunden anwesend, um das Protokoll zu schreiben. Doch diese Arbeiten erfüllten nur den Zweck meinen Lebensunterhalt zu verdienen, es machte keinerlei Spaß und ich zeigte auch keinen Ehrgeiz mehr, den ich anfangs für diese Arbeit hatte. Immerhin verdiente ich gut und konnte mir daher einiges zusammensparen, was ich nun für meine, nicht geplante Reise, gut gebrauchen konnte.
Von nun an war Zeit mich auf die Reise vorzubereiten. Ich wollte noch einige Wochen hier bleiben, um alles zu erledigen und meinen Geist für diese Prüfung zu schulen.

Die Zeit bis zu meinem Aufbruch war äußerst mühsam für mich. Mein Chef in der Arbeit, der mich für meine gute Leistungen kannte, war schnell gegen mich, weil ich in Gedanken abwesend war und daher das Normalpensum nicht mehr erreichte. Ich war bereits auf eine innere Reise gegangen, die den Weg für meine physische schaffte.
Beinahe wurde ich apathisch, der Drang, die Stadt zu verlassen, wurde immer größer und ich konnte ihn nicht mehr kontrollieren. So kam es, dass ich meinen Vorgesetzten beschimpfte und dem Hauswart meine Meinung sagte, was mir im Haus viele Anhänger einbrachte. Ich wurde zum Rebellen, in einer mir fremden Stadt.
Der Tag meiner Abreise rückte immer näher. Ein Gefühl des Ekels überkam mich morgens, wenn ich aus dem Haus ging. Alles roch nach Verdorbenem, wenn ich meine Einkäufe machte, ich traute mich kaum mehr aus meiner Wohnung. Hier änderte sich beinahe nichts, nur ein paar Sachen hatte ich dem Händler von der Ecke verkauft, die ich nicht mehr brauchte oder weil sie mich an die „Alten Zeiten“ erinnerten, mit denen ich schon seit Wochen abgeschlossen hatte.

Der letzte Tag vor meiner Abreise brach an. Ich fühlte mich frisch und wie ein neuer Mensch. Meine Fröhlichkeit steckte auch andere an, und so war der Hausmeister sehr verwundert und stand verschrocken vor mir, als ich ihn mit einem „Wunderschönen Guten Tag!“, begrüßte. Die Leute merkten, dass mit mir etwas nicht stimmte. In meinem Stammkaffee bestellte ich mir ein Glas Wein, was den Herrn Krummnußbaum verdutzt dreinschauen ließ, weil er bisher annahm, dass ich mich dem Alkohol strikt verweigerte. Wir sprachen kurz miteinander, er war sehr interessiert, was mich anbelangte, doch ich gehorchte meinem selbstaufgelegten Gebot meine Reise so lang, wie möglich zu verheimlichen.
Am Abend lud ich Anna zu einem Abschiedsfest bei mir ein. Ich kochte, so gut ich konnte, und kaufte einen Spitzenwein, um diesen Abend abzurunden. Anna war äußerst pünktlich, ja sogar ein wenig zu früh und ich musste mich beeilen, um mit dem Essen fertig zu werden. Sie sah ein wenig verändert aus, hatte eine Spur von einer alten Dame, aber auch das Lächeln eines kleinen Mädchens. Ihre Augen strahlten, verbargen jedoch die Trauer, die sie innerlich spürte, weil ein Mensch, den sie sehr schätzte und mit dem sie viele Stunden, des Redens und Zuhörens verbracht hatte, sie morgen verließ.
Das Gespräch war anfangs schwierig und mir schien, als wollte sie mir etwas sagen, was sie aber nicht über ihre Lippen brachte. Ich fragte sie, doch sie war abweisend und änderte jedes Mal das Thema, wenn ich auf das, in ihr Verborgene zur Sprache kam.
Ich sagte zu ihr: “Jetzt beginnt mein neues Leben. Ich wurde wiedergeboren, alles erfüllt seinen Zweck. Auch wenn der Weg, den ich gehe, noch ungewiss ist, ich werde an ein Ziel kommen.“
„Wird das Ziel wieder der Start sein?“, fragte sie.
„Ich weiß es nicht, doch eines ist sicher, ich werde viel erleben, neues kennen lernen, meinem Gefühl folgen, das mich niemals belügt. Wie es ausgehen wird, kann ich nicht sagen. Ich bin noch nicht soweit, soviel weiß ich.“, erwiderte ich.
Eine Träne drückte sich aus einem ihrer wunderschönen dunklen Augen und rollte ihre zarte Haut hinab. Sie sagte: „Sie werden sich bestimmt verändern, wenn Sie Ihr Weg wieder hier zurückführen sollte. Wird es jemals wieder solche Gespräche zwischen uns geben, diese Vertrautheit, dieses Gefühl Einem-Menschen-alles-sagen-zu-Können?“
„Ich stelle dir eine Frage, wie merkt man, ob man sich selbst geändert hat, oder ob die Umwelt, die Menschen sich um einen herum geändert haben? Ich gebe dir ein Beispiel: Ein Mensch, der durch einen unglücklichen Unfall an den Rollstuhl gefesselt ist, erfährt sehr schnell, dass um ihn herum die Menschen anders auf ihn reagieren. Natürlich hat sich für ihn auch vieles verändert, er wird am Anfang seines Schicksals in Selbstmitleid verfallen und alles verfluchen, doch in seinem tiefsten Innerem bleibt er der selbe Mensch. Ich weiß nicht, ob deinem Kummer damit genüge getan ist, doch ich kann dir nicht versprechen, dass ich mich nicht verändern werde, genauso wie du mir nicht versprechen kannst, dass du dich nicht veränderst.“
„Ich danke Ihnen, nein dir, der du mir so vertraut und lieb geworden bist, doch meine Trauer wird dennoch bestehen. Ich kann dir nicht versprechen, mit trockenem Auge deinem Abschied entgegenzusehen.“ sagte sie.
Nun beschloss man zu feiern, an alte gemeinsame Zeiten zu gedenken. Der Wein schaffte es, dass tiefste Erinnerungen wieder zu Tage kamen, und man herzlichst über die Dummheiten lachen konnte, die man einst machte.
Da kam es aus Anna plötzlich heraus: „Ich liebe dich.“
Ich dachte vorerst ich habe mich verhört, doch in ihrem Blick erkannte ich, dass sie es ernst meinte. Es traf mich sehr tief, denn ich selbst wusste nicht, was Liebe bedeutete. Ich hatte zwar schon einige Mädchen kennen gelernt, doch fehlte mir einfach das Gefühl der Selbstaufgabe, der völligen Hingabe zu einer Frau. Die Beziehungen hielten meistens nicht lange, entweder beendete ich sie, wegen Kleinigkeiten oder wegen dem Gefühl, dass mir etwas fehlte, oder die Frau zog den Schlussstrich, weil sie mich nicht verstehen konnte – mich – der immer mehr zum Einzelgänger wurde, und Frauenkontakte in solch einer Form den Rücken kehrte.
Ich stockte und wusste nicht, was ich sagen sollte.
Ich stammelte: „Mein Kind, Anna, die Frau, ich sage dir, es wird nicht gut gehen mit mir. Es liegt nicht an dir, oder deinem jungen Alter, es liegt einzig und allein an mir. Ich bin unfähig eine Beziehung einzugehen. Gerade jetzt, wo ich doch morgen meine Reise antrete, wie meinst du soll ich auf das reagieren? Ich empfinde etwas für dich, vielleicht sogar Liebe, aber nicht die Liebe zwischen Mann und Frau, sondern die Liebe zu einer Schwester, einer guten Freundin. Bitte verstehe mich! Ich möchte deinen Gefühlen keinen Riegel vorsetzen, ich schätze deine Art sich voll seinen Gefühlen hinzugeben, doch bin ich der Falsche.“
Minuten des Schweigens. Es schien eine Ewigkeit vergangen zu sein, seit das letzte Wort zwischen uns gefallen war. Dann brach sie das Schweigen: „Bitte, mein Liebster, ich weiß du musst diese Stadt verlassen, doch behalte mich in deiner Erinnerung. Dein Aufbruch rückt stetig näher und meine Gefühle für dich steigen in mir auf, als würde ein Raumschiff die Erde verlassen, um in die tiefen des Alls einzutauchen.“
„Bitte...“ „Nein, sag kein Wort mehr!“, unterbrach sie mich.
Sie näherte sich mir. Ich konnte ihr Herz spüren, wie es unaufhörlich immer schneller und pochender in ihrer zarten mütterlichen Brust schlug. Da berührten ihre Lippen, die wie Samt waren, meine und sie küsste mich mit soviel Gefühl, dass ich der Ohnmacht nahe war. Danach streichelte sie mein Haar, fing an zu Schluchzen und stürmte zu meiner Wohnungstür, wo sie sich ein letztes Mal zu mir umdrehte und mich sehnsüchtig mit ihren Blicken in mein Herz traf.

Diese Nacht konnte ich kein Auge zudrücken, zuviel ging mir durch den Kopf, zum einen Anna, ein Kind, die zur Frau wurde, die mich liebte, und zum anderen meine bevorstehende Reise.

Am Morgen meiner Abreise war Anna nicht zugegen, wie ich es erwartete. Sie war mit ihrer Trauer allein, sie war tapfer und kämpfte, wahrlich eine starke Frau, die mir vieles gab. Die größte Kraft auf Erden, ihre Liebe schenkte sie mir, und ich nahm sie nicht an, verweigerte mich, hatte zu viel Angst. Angst mich zu verlieben, ja das hatte ich. Mich aufgeben, bedeutete Liebe für mich, dies konnte ich allerdings nicht. Zu unerfahren, zu viel Kind, um ein Mann, der Liebe erwidern konnte, zu sein, steckte in mir.

Mit einem Rucksack ausgerüstet, wie ein Vagabund wirkte ich, lief ich zum Bahnhof, löste dort einen Fahrschein, der mir erlaubte in ganz Europa mit der Bahn zu reisen und stieg in einen Zug, der mich zum nächstgelegeneren größeren Bahnhof brachte.
Jetzt versuchte ich die Gedanken von Anna weg auf meine Reise zu lenken. Das Ziel war noch immer nicht klar, mein Gefühl hatte mich seit dem gestrigen Abend ein wenig verlassen, ich war verwirrt. Während der Fahrt las ich ein Buch, das auch von einem Reisenden handelte, der jedoch zum Gegensatz zu mir ein Ziel vor Augen hatte. Immerhin lenkte es mich ein wenig ab, und mein Gefühl schien zurückgekehrt zu sein. Es zog mich nach Süden, soviel stand nun fest. Ich wollte das Meer, den Ozean sehen, am Strand spazieren gehen, mit den Fischern sprechen, am Markt handeln, die jungen Paare beobachten, wie sie verliebt Arm in Arm durch die Straßen schlenderten, sich liebkosten, vielleicht erfuhr ich, was Liebe wirklich sein kann, vielleicht entdeckte ich dadurch einen Weg, wie ich selbst zu einem Liebenden werden würde können.
Am Hauptbahnhof von L. stieg ich in einen sogenannten Eurocity um, der mich in einigen Stunden an die Adriaküste und von dort weiter nach Süden bringen sollte. In meinem Abteil saß ein um die 20 Jahre alter junger Mann, in seiner Ausrüstung glich er mir, wie die Faust aufs Auge. In seinem makellosen Gesicht spross ein Dreitagebart, er war schlank und von großer Statur. Sein Haar war ungepflegt, was darauf hindeutete, dass er schon längere Zeit unterwegs war.
Er schlief, wirkte friedlich und mit sich selbst im Einklang, ob es nun ein Schlaf war, oder tiefe Meditation konnte ich nach längerem Beobachten nicht feststellen. Ihn umgab eine eigenartige Aura, sie breitete sich im ganzen Abteil aus und verursachte in mir ein Gefühl der Sicherheit und Geborgenheit. Auch ich beschloss ein wenig zu schlafen, die Schlaflosigkeit der letzten Nacht umgab mich und drückte meine Augen zu. Wieder hatte ich einen Traum:

Ich befand mich an einem Ort, den ich noch nie gesehen hatte, vielleicht existierte er gar nicht, doch ich fühlte mich wohl. Es war eine Hügellandschaft, ich stand auf einem dieser Hügel und erfreute mich am Sonnenuntergang. Da erspähte ich auf einem anderen Bergrücken eine Person. Sie stand mit dem Rücken zu mir gedreht und bewegte sich nicht. Ich rief, doch die Figur reagierte nicht auf mein Rufen. Immer lauter rief ich und je lauter ich rief, desto weiter entfernte sich die Person, sie schien zu schweben. Dann versuchte ich der Person nachzulaufen, doch es häuften sich immer mehr Berge. Sie schienen aus dem Boden zu kommen. Immer mehr und schließlich befand ich mich eingeschlossen in einem Tal umgeben von mächtigen Gebirgszügen, die kalte Schatten auf mich warfen. Das wohlige Gefühl wich einem Gefühl, das ein klaustrophobischer Mensch haben musste, wenn er in einem Fahrstuhl feststeckte.

Der Fahrkartenkontrolleur erweckte mich aus meinem Schlaf und bat um mein Ticket. Auch mein junger Kollege war wach.
Er hieß mit Vornamen Peter, seinen Nachnahmen nannte er nicht. Mein Reisebegleiter wollte, genauso wie ich, in den Süden, um dort Urlaub oder so was Ähnliches zu machen. Mehr bekam ich fürs Erste nicht aus ihm heraus, doch es gefiel mir einen Menschen kennen gelernt zu haben, der auf einer längeren Reise mein Begleiter sein würde, „vielleicht mein Führer oder Mentor“, dachte ich, musste dann aber leise lachen. Wir unterhielten uns von Zeit zu Zeit. Die Gesprächskultur war anfangs eine Abart von Smalltalk und entwickelte eine merkwürdige Tiefe. Er schien mir sehr vertraut, als ob ich auf ihn schon mein ganzes Leben lang gewartet hatte, oder ihn gesucht hatte. Außerdem hatte ich den Anschein, als wüsste er über mich genau bescheid. Er kannte meinen Auftrag, wusste sogar das Ziel meiner ungewissen Reise, war mehr ich, als ich mir selbst war. In seiner Nähe fühlte ich mich, durch sein anscheinendes Wissen über mich, nackt, unsicher und voll Angst, aber auch geborgen, mutig und wissbegierig, auf das, was er mir über mich erzählen konnte.
War es Zufall oder Bestimmung, dass ich mit dieser Person im selben Zugabteil saß? Auf diese Frage wusste ich keine Antwort, doch mir ahnte, dass ich nicht auf mich allein gestellt war – es leitete mich irgend eine Kraft.

Später erzählte ich ihm meinen Traum, erwartete eine Antwort von ihm, wer die geheimnisvolle Gestalt in meinem Traum sein mochte, doch Peter, dem ich es genau ansehen konnte, dass er die Antwort wusste, machte keine Anzeichen dafür, dass er interessiert wäre, mir Hilfe zu geben. Er lehrte mich damit selbst meine Träume zu deuten, was mir ja schon einmal gelang, als mich mein erster Traum auf diese Reise schickte.
Mein Reisegefährte war sonderbar still geworden, dachte über irgendetwas nach und meditierte. Aus diesem Grund betrachtete ich ein wenig die Landschaft, an der wir vorbeifuhren.
Zuerst durchfuhren wir eine Gebirgslandschaft, mir gefielen vor allem die Schatten, die die riesigen Gipfel auf die gegenüberliegenden Berghänge warfen. Wir kamen weiter nach Süden, und die Gebirgsketten wichen dem Hügelland, das mit wunderschönen Wäldern bestückt war. Hier musste es viele verschiedene Vogelarten geben und ich gedachte an den Tag, als ich in meiner Heimatstadt im Park war, und den Vögeln beim Balzen zuschaute und das Farbenspiel ihrer Federn betrachtete. Dieser Tag, an dem ich meinen Traum hatte, der mich nun in diese Odyssee führte.
Immer weiter kamen wir in Richtung des Äquators, der Gürtel, der die beiden Erdhälften zusammenhielt. Die Landschaft änderte sich zu einem flachen weitauslaufenden Land, das bewirtschaftet wurde. Kaum unberührtes, nicht von Menschhand bearbeitetes Land war zu sehen. Riesige Mais-, Korn- und Roggenfelder und unterschiedlichste Arten von Gemüse wurden hier angebaut, und bildeten geometrische Formen in der Erdkruste. Es war Wahnsinn, wie hier die Natur vergewaltigt wurde. Die Monokultur verdrängte die Vielfalt der gottgegebenen Natur. Für den Konsumenten, der nach immer billigerem Genuss suchte, bedeutete die Natur nichts mehr, als seine Bedürfnisse so günstig, wie möglich befriedigen zu können, um mit dem Rest seines Verdienstes die zweifelhaften Vergnügungen unserer Tage zu finanzieren.

Peter wachte wieder auf aus seiner Meditation und sagte: „Emil, was willst du im Süden eigentlich machen?“
„Keine Ahnung, ich lasse mich von meinen Gefühlen leiten, die nie die Unwahrheit sprechen.“, antwortete ich.
„Dann wird dir dein Gefühl sicher sagen, dass du mit mir einen Gefährten gefunden hast, der dich eine kurze Zeit lang begleiten wird, und dir helfen soll, dich selbst zu finden.“
„Was meinst du damit?“, sagte ich, und hatte schon gehofft, dass ich ihn als Begleiter gewinnen könnte. Diesen außergewöhnlichen Menschen mit der faszinierenden Ausstrahlung.
„Ich meine,“ er stockte, „du wirst mit mir auf eine Party gehen. Sie nennt sich „Night of Immortality“ – die Nacht der Unsterblichkeit. Bei diesem Fest wirst du Spaß haben, dich an den Geschenken Gottes erfreuen, neu erwachen, einen Schmerz spüren, doch es wird sich lohnen. Erkenntnis wirst du gewinnen, ich selbst habe mich in dieser Nacht gefunden. Das Leben wird jedoch nicht einfacher, doch intensiver, schöner aber auch schmerzhafter. Es ist wie Tag und Nacht, wie Schwarz und Weiß, wie Mann und Frau.“
Ich zögerte zu erst, doch mein Gefühl packte mich und von selbst sagte ich: „Ja, ich werde dich begleiten.“

Von nun an dachte ich ständig an diese „Night of Immortality“. Was würde mich dort erwarten, ich passte womöglich gar nicht in diese Jugendszene. Nur mein letzter Traum beschäftigte mich mehr, als diese Party, bei der ich mich selbst finden sollte. Ich konnte den Traum einfach nicht deuten, drängte Peter, er solle mir helfen, mir Antwort geben. Doch dieser schwieg beharrlich.

In der nächstgrößeren Stadt wollten wir aussteigen und ein paar Tage dort verharren. Wir suchten uns ein kleines Hotel, das etwas außerhalb des Stadtzentrums angesiedelt war. Ein Bad tat uns beide gut und wir freuten uns schon auf die Betten, schließlich ist der Schlafwaggon nicht gerade der beste Ort, um einen erfrischenden Schlaf abzuhalten.
Am nächsten Morgen frühstückten wir ausgiebig und machten uns auf den Weg diese Küstenstadt zu erkundigen. Eine kleine Gasse, die mit Steinen gepflastert war, brachte uns ins Zentrum, wo die Fischer ihre Meeresfrüchte anboten, Händler miteinander feilschten, und die Frauen die Einkäufe für das Abendessen tätigten. Es war ein reges Treiben. Ich verstand kein Wort dieser Menschen, doch diese schnelle Sprache gefiel mir, weil sie dem Marktplatz diese typische Hektik verlieh.
Wir kauften frische Früchte, die süßesten Honigmelonen, die ich je in meinem Leben gegessen hatte. Ich kostete bereits jetzt das Leben in seinen schmackhaftesten Zügen.
Einzig allein die Touristen störten mich, die die Einheimischen mit ihren Linsen einfingen, wie Tiere im Zoo. Ich zählte mich nicht zu dieser Art der Reisenden, denn ich hatte einen Auftrag, welchen wusste ich zwar noch nicht genau, doch ich war einfach anders, als diese pseudointeressierten Kulturliebhaber, die mit einem Last-Minute-Ticket den Sprung auf diese Fahrt geschafft hatten.
„Es ist kein Zufall, dass wir hier Rast machen.“, sagte Peter zu mir, und fuhr fort, „ich kenne hier ein kleines Atelier, wo ein surrealistischer Künstler gerade ausstellt. Morgen werden wir einen Blick in dieses Kunsthaus werfen und du wirst etwas wichtiges dabei lernen.“
Ich ließ mich überraschen, und wir nahmen ein Abendessen in einem kleinen Fischrestaurant am Hafen ein. Es schmeckte vorzüglich, dies war mein erstes richtiges Essen seit langem, denn die Küche im Zug bestand zum großen Teil aus „Fastfood“ und fettigen Gerichten, die alle künstlich schmeckten.
Wir beschlossen diesen Abend früh zu Bett zu gehen, weil das Schlendern unsere Beine müde gemacht hatte.

In dieser Nacht kam wieder der Traum, den ich im Zugabteil gehabt hatte. Diesmal aber war er so intensiv, dass ich die Wirklichkeit bald nicht mehr von meiner Traumwelt unterscheiden konnte. Fürs Erste wollte ich nicht mehr über den Sinn meines Traumes nachdenken, ich glaubte mein Gefühl würde mir die Antwort schon geben, wenn es Zeit dafür war.

Das Atelier, in das wir gingen, lag in einer versteckten Seitengasse im Altstadtviertel des Küstenortes. Eine hübsche Angestellte, sie war etwa um die 30 Jahre alt, führte uns durch die Hallen. Ich betrachtete die Bilder, dabei kamen mir Erinnerungen an diesen Traum, den ich nicht deuten konnte. Die Bilder zeigten die Unendlichkeit in ihrer unterschiedlichen Form. Straßen, die nicht enden wollten, Spiralen ineinander verflochten, den Ozean in seiner ganzen Weite und Endlosigkeit, Bilder vom All, Sterne und Planeten nebeneinander, Trichter formten sich in unendlich tiefe Löcher, all diese kunstvollen Malungen zeigten das Unendliche in seiner farbenprächtigen, komplexen Variation.
„Siehst du, Emil, wie unendlich alles ist.“, schwärmte Peter.
„Ja. Selbst in meinem Traum scheint es diese Unendlichkeit zu geben, die Gebirgszüge, ja selbst die Hügellandschaft war unendlich.“, sagte ich, und hoffte nun auf eine Antwort auf meinen Traum.
„Der Künstler, der diese Bilder erschaffen hatte, hat den Sinn erkannt. Wissenschaftler, die daran glauben, dass selbst unser Weltall ein Ende hat – können sie wissen, ob unser Weltall nicht eine Kugel ist, die in einem noch größeren All schwebt, das wiederum in einem anderen eingeschlossen ist.“
Ich dachte über die letzten Worte Peters nach, stimmte still seiner Theorie von unserem Weltall nicht zu, weil ich über alles andere hinaus unsere Wissenschaft verehrte. Ich widmete mich wieder den Bildern und wir schwiegen.

Zurück im Hotel duschte ich mich, aß ein paar Früchte und legte mich aufs Bett. Heute war ein heißer Tag gewesen. Die Hitze hatte selbst die emotionalen Händler am Markt zu ruhigen Menschen gemacht, der ganze Ort schien heute eine Siesta zu machen. Entweder lag man am Strand oder man wagte sich nicht aus dem Haus, um der brennend heißen Sonne zu entgehen.
Peter schlug mir vor am nächsten Tag mit einem Regionalzug weiter zu fahren, weil wir dadurch die Landschaft in Ruhe betrachten konnten, und weil bis zum Fest noch genügend Zeit übrig war.

Früh am nächsten Morgen nach dem Frühstück begaben wir uns zum Bahnhof. Die Züge fuhren stündlich durch die Stadt und die Bahnstrecke verlief direkt an der Küste. Die immense Arbeitskraft, die die Bauarbeiter damals aufwenden mussten, um diese architektonische Meisterleistung fertig zustellen, faszinierte mich. Unzählige Brücken und Tunnels mussten errichtet werden, um den schnellstmöglichen Weg zu gewährleisten.
Die Lok war etwa mit 65 Stundenkilometer unterwegs, daher konnte es noch bis zur Abenddämmerung dauern, bis wir etwa hundert Kilometer vor der Südküste ankamen.
Im Zug waren vor allem ältere Personen, einige Jugendliche, die mit anderen im nächsten Ort etwas unternehmen wollten, Peter und ich.

Anna kam mir wieder unter, wie würde es ihr gehen, ist ihre Trauer wegen mir bereits abgeklungen? Ich erinnerte mich daran, wie ihr Haar in der Sonne golden schimmerte. Ihre zarte Figur und ich, der schon Falten im Gesicht hatte und dem die Haare vereinzelt schon ausgingen, wie sollten wir beide zusammenpassen.
Dann stellte ich mir vor, wie es wäre, wenn wir zwei eine Familie hätten, mit Kindern, Haus und schönem Garten, wo der Hund seine Hütte hatte. Sie als Mutter, ich als Vater, diese Vorstellung kam mir so unwirklich vor. Diese Verantwortung, die man mit Kindern hatte. Ich wusste nicht, ob ich ein guter Vater wäre, doch hatte ich gerade davor Angst die Erwartungen, die eine Frau in einen Mann steckte mit dem sie Kinder großzog, nicht erfüllen zu können. Ich war noch nicht bereit. Dennoch die Vorstellung von Anna und mir wurde so lebendig, dass ich all meine Zweifel, die ich damals an unserem letzten gemeinsamen Abend hatte, hinwegschob.
Ich beschloss Anna einen Brief zu schreiben:

Liebe Anna!

Bitte trauere nicht mehr wegen mir. Der Abschied fiel mir, wie ich es jetzt erkennen musste, schwerer als dir, obwohl du an Gefühl viel mehr hast, als ich, der im Vergleich zu dir, wie ein räudiger Hund ist.
Meine Hoffnung liegt nur darin, dass es dir gut geht, dass du immer noch mit solch einer Aufmerksamkeit den Leuten zuhörst, wie du sie mir geschenkt hast.
Was kann ich von mir sagen? Im Moment geht es mir gut, die Reise zehrt zwar ein wenig an meinen Kräften, doch ich habe einen Gefährten getroffen, der ungefähr in deinem Alter ist. Er ist ein wenig geheimnisvoll und seine Ausstrahlung ist überwältigend.
Das Ziel meiner Reise ist noch immer unklar, doch es fügt sich langsam alles zusammen. Immer mehr Steine bilden das Mosaik meines Ichs. Gestern betrachtete ich außergewöhnliche Bilder, die die Unendlichkeit darstellten. Außerdem hatte ich wieder einen merkwürdigen Traum, dessen Bedeutung ich allerdings noch nicht genau kenne. Ich schätze er ist das Herzstück, das mir noch fehlt.
Bitte verzeih mir, dass ich deine Liebe nicht in solchem Ausmaße erwidern konnte, wie du es erwartet hast, doch zuvor muss ich mit mir selbst klar kommen, um andere an meinem Leben so tief teilnehmen zu lassen.
Zum Abschluss möchte ich mich bei dir für alle schönen Stunden bedanken und hoffe, dass mich mein Weg zurückführen wird zu dir, wenn die Zeit dafür reif ist.

Dein Emil

Von nun an wollte ich, so oft es mir möglich war, einen Brief an Anna schreiben. Das Schreiben war fast, wie die Gespräche mit ihr, bei denen ich erzählte, und sie alles in sich aufsog, mir dabei etwas gab, dass ich bei keinem anderen Menschen fühlte, außer vielleicht bei Peter. Dieser war aber in seiner Art völlig anders, auch er hatte die Gabe des Zuhörens, doch er konnte hart zu mir sein, wie er es zur Zeit war, weil er mir nicht bei der Lösung meines Traums half. Dennoch vertraute ich ihm, hoffte insgeheim aber darauf, dass ihm die Antwort irgendeinmal doch über die Lippen rutschen würde, um so meinen Geist zu befreien.

Ich blickte aus dem Fenster hinab auf die Meeresküste, an der sich die Wellen brachen. Diese Urgewalt Wasser war ständig in Bewegung und konnte, zwar langsam, über die Jahrtausende hinweg, ganze Landschaften verändern und ihnen vielfältige Charakterzüge geben.
Wenn ich an das Meer dachte, musste ich gleichzeitig immer an den Mond denken. Der Erdtrabant, der mit seiner gewaltigen Kraft, Ebbe und Flut entstehen ließ. Man unterstellte ihm auch noch andere Eigenschaften, mit denen sich vor allem die Esoteriker beschäftigten. Er solle anscheinend große Auswirkungen auf den menschlichen Organismus haben. Ich selbst war von diesen Theorien, allerdings nicht überzeugt. Hin und wieder schob ich die Nächte, in denen ich schlecht schlafen konnte, auf ihn.

Ich verließ das Abteil, um mir ein wenig die Füße zu vertreten. Außerdem war die Luft drinnen stickig geworden und das Fenster ließ sich nicht ganz öffnen. Während ich im Zug herumspazierte rollte mir ein Ball vor die Füße, der von einem kleinen Jungen fallen gelassen wurde. Ich gab ihm den Ball zurück, er bedankte sich in seiner Sprache, die ich jedoch nicht verstand, und war verschwunden, wohin er gegangen war, war mir rätselhaft, aber so sind nun mal kleine Kinder, sie kommen und gehen, wie sie wollen, immer in Bewegung, ständig auf der Suche, um neues kennen zulernen.
Ich schnappte Luft, bei einem der Gangfenster, hatte dabei das Gefühl, als beobachte mich jemand. Ich drehte mich blitzschnell um, und sah einen Schatten in einem Abteil verschwinden. Sofort ging ich auf dieses Abteil zu, ich wollte wissen, wer mir hier nachstellte, klopfte an und gab mich als Kontrolleur aus. Als mir niemand öffnete riss ich die Tür auf und ein leeres Abteil erwartete mich. „Äußerst sonderbar“, dachte ich. Da kam eine Vermutung in mir auf, der kleine Junge von vorhin, er wollte wohl seine Späße mit mir treiben. Ich begutachtete das Zugabteil genauer und stellte fest, dass da ein kleiner Spalt hinter dem Sitz war, griff mit der Hand hinein und im selben Augenblick spürte ich einen Schmerz, etwas hatte mich gebissen. Der Junge sprang plötzlich mit lachendem Gesicht hervor und lief neben mir hinaus.

Zurück in meinem Abteil beschloss ich nicht mehr über den Jungen und seine Streiche nachzudenken. „So, sind Kinder eben.“, dachte ich und widmete mich meiner Reiselektüre.

Peter sah mich auf einmal so komisch an, sein Gesicht hatte ein Grinsen aufgesetzt und er fing plötzlich lauthals an zu lachen.
„Was ist los?“, fragte ich verwirrt.
„Ach, nichts. Ich musste nur lachen, weil dich dieser kleine Junge so an der Nase herumgeführt hat.“, lachte er.
„Wieso wusste er von diesem Vorfall, ich hatte ihm nichts davon erzählt.“, dachte ich.
Ich traute ihm sogar zu, dass er diesen Jungen auf mich angesetzt hatte. Vielleicht wollte er mich prüfen, wie ich mit Kindern umgehen konnte, doch diese Geschichte verschwand schnell aus meinen Gedanken.

„Peter!“, sagte ich, „ich habe dich nun lange beobachtet, wie du scheinbar schläfst und dennoch in tiefster Meditation bist. Ich selbst betreibe hin und wieder die Kunst der Meditation, um der Welt zu entfliehen, doch solche Intensität, wie du sie erreichst, bringe ich nicht zu Stande. Was ist dein Geheimnis?“, fragte ich.
„Emil, du musst einfach alles um dich herum aufgeben, deine ganzen Gedanken – gib sie frei, genieße das Durcheinander in deinem Kopf, die ständige Veränderung, hab keine Angst davor, du wirst sehn, die Fragen, die dich ständig begleiten, werden eine Antwort völlig von selbst erfahren.“, sagte Peter und fuhr fort, „ich gebe dir ein Beispiel: Wenn du dich Zeit deines Lebens mit einem Problem auseinandersetzt, wird es dir schnell zur Last. Diese Last wiederum hindert dich daran, die Lösung für das eigentliche Problem, die Ursache des Problems, zu finden. Es ist ganz einfach, banal ausgedrückt, kümmere dich um vieles, lass aber nie die Angst so stark werden, dass sie dein ganzes Leben einnimmt. Falls es aber doch so weit kommen mag, verliere nie den Mut und gib dich dieser Art der Meditation hin, die ich dir lehre!“

Ich versuchte die Peter’sche Meditation, so nannte ich sie, auszuprobieren. Ich schloss meine Augen, versuchte mich darauf zu konzentrieren, meinen Gedanken freien Lauf zu lassen. Es dauerte nicht lange, dann strömten die Gedanken ineinander, immer neuere, teilweise absurde Gedanken, füllten meinen Kopf. Doch eine Antwort war in diesem Durcheinander nicht herauszubekommen.

Peter sagte mir nach meinem ersten Versuch, dass es viel Training bedurfte, um diese Technik perfekt zu beherrschen. Erst dann war es möglich das komplexe Rätsel des Ichs und der Umwelt zu entschlüsseln.
Von nun an versuchte ich mich noch stärker zu konzentrieren, viele Male würde ich brauchen, um diese Meditation für mich nutzen zu können.

Am Abend erreichten wir ein kleines Fischerdorf und bezogen ein Hotel. In der Nacht hatte ich wieder meinen Traum von dem Hügelland, das sich in eine Gebirgslandschaft verwandelte. Diesmal war er noch intensivier, als ich ihn zum letzten Mal, in dem Ort, wo wir das Atelier besuchten, gehabt hatte.
Diesmal hob die geheimnisvolle Gestalt die Hand und zeigte mit dem Finger in die Ferne. Meine Augen folgten der Richtung, in die die Hand deutete. Alles was ich erkennen konnte, war die unendliche Weite, das Atelier kam mir wieder in Erinnerung, mit den wunderschönen Bildern.
Als ich erwachte, hatte ich ein Puzzleteil, das zur Lösung meines Traumes von großer Bedeutung war, in der Hand. Es kam mir bereits im Atelier der Gedanke, dass alles eine Unendlichkeit besaß, so auch mein Leben. Diese Erkenntnis brachte mich dazu, dass ich von nun an keine Angst mehr haben brauchte, vor einem Ende, wie der Tod eines war. Außerdem lehrte mich der Traum, dass alles in ständiger Veränderung war, jeder Tag, mochte er auch noch so alltäglich sein, war immer anders, als die vorherigen Tage. Die minimalen Verschiebungen der Erdkruste konnten in Jahrmillionen neue Kontinente erschaffen, alle Pflanzen fielen mir ein, die Flüsse, die Tiere, schlicht das gesamte Leben, als auch das Leblose, wie der Mensch etwa Steine bezeichnete.

Der nächste Morgen war vom Glanz der aufgehenden Sommersonne erfüllt. Ich war äußerst gut gelaunt, und für Späße aufgelegt. Heute beschloss ich, die ernsten Gedanken beiseite zuschieben, und mich um andere Dinge, die nicht mein Leben betrafen, zu beschäftigen.
Peter begleitete mich bei einem Spaziergang entlang der Küste. Die Fischer waren gerade damit beschäftigt ihre Netze zu kontrollieren, um dann in See zu stechen, und dort einen möglichst großen Fang zu machen. Wir beobachteten sie ein Weilchen, blickten hinaus aufs offene Meer und genossen unser unbeschwertes Dasein. Zu Mittag, als die Sonne schon im Zenit stand, suchten wir ein schattiges Plätzchen auf, aßen eine Kleinigkeit und Peter erzählte mir mehr von dieser „Nacht der Unsterblichkeit“.
Ich hörte interessiert zu, und erfuhr, dass es sich dabei um ein Fest handelte, bei dem nur geladene Gäste anwesend wären. Auf meine Frage, ob ich dort nicht unerwünscht wäre, da ich doch keine Einladung erhalten habe, lachte er bloß und sagte: „Wäre ich nicht sicher, dass ich dich mitnehmen dürfte, so hätte ich dir wohl kaum diesen Vorschlag unterbreitet.“
Ich fühlte mich, wie ein Schuljunge, der dabei ertappt wurde, dass er im Unterricht nicht aufgepasst hatte, und die selbe Frage, die bereits zuvor gestellt wurde, noch einmal stellte.
Der Nachmittag verlief wunderbar. Wir ließen uns, am Strand, in der Sonne bräunen, tauchten in das azurblaue Wasser ein und beobachteten die schönen Frauen in ihren knappen Bikinis.
Eine fiel mir besonders auf, sie hatte schöne lange Beine, schwarzes langes glattes Haar, einen makellosen Körper, wohlgeformte Brüste und dunkle Augen. Sie musste ungefähr fünfundzwanzig Jahre alt sein. Sie lief durch den glühend heißen Sand, stolz und selbstsicher. Mein Blick verharrte eine Weile bei ihr, Anna kam mir wieder in den Kopf und ich ließ meinen Blick hinaus aufs offene Meer schweifen.
Bis zum Sonnenuntergang blieben Peter und ich am Strand, waren glücklich und genossen das Farbenspiel am dämmernden Himmel. Einige Jugendliche musizierten, mit Trommeln und Gitarre und verliehen diesem Abend eine unglaubliche Gemütlichkeit. Völlig entspannt traten wir den Heimweg an, die Händler räumten ihre kleinen Stände zusammen, zählten den gemachten Umsatz und kehrten zu ihren Familien zurück.
Die ersten Sterne gingen am Abendhimmel auf und der Mond beleuchtete die engen Gassen, sodass wir auch ohne Hilfe, der Straßenbeleuchtungen, den Weg zu unserem Hotel gefunden hätten.
In unserer Unterkunft angekommen, machten wir es uns am Balkon bequem. Wir öffneten eine Flasche Wein, die wir von einem Händler um billiges Geld, erworben hatten. Peter, der sich am Nachthimmel gut auskannte, erklärte mir die Sternbilder, wusste sogar einige Geschichten über dieses oder jenes Sternbild. Er sprach völlig ruhig und seine Stimme löste in mir ein Gefühl der hingebungslosen Aufmerksamkeit aus. Meine Gedanken schienen starr zu sein, sie folgten seinen Ausführungen ohne andere Gedanken zuzulassen.
Erst um zwei Uhr begaben wir uns zu Bett. Diese Nacht blieb mein Traum, dessen Lösung kurz bevorstand, aus. Stattdessen träumte ich von Anna, von meiner Heimatstadt, von meinem Stammkaffee, von Herrn Krummnußbaum, von dem hasserfüllten Hauswärter, vom Tag, an dem ich meine Entscheidung zu treffen hatte, von meinen Eltern und von den Vögeln im Park.

Der nächste Tag brach an. Da das Fest erst in einer Woche stattfinden sollte, beschlossen wir noch einige Tage hier zu bleiben und uns dann auf den Weg zu machen.
Wolken hatten die Sonne verdeckt, die dem gestrigen Tag eine solche positive Wirkung verliehen hatte. Es begann sogar ein leichter Regen, der die Luft deutlich abkühlte und die Straßen reinigte. Daher blieben wir am Vormittag in unserem Hotelzimmer und ruhten ein wenig aus.
Ich ließ mir eine Zeitung, die in meiner Muttersprache verfasst war, bringen. Ich wollte wissen, was in meiner Abwesenheit in meinem Land passiert war. Ein Artikel zog meine Aufmerksamkeit auf sich. Es ging um die immer häufiger auftretenden Depressionen in unserer zivilisierten Welt. Die Gründe dafür waren mir schon länger bekannt und der Autor dieses Artikels bestätigte meine Vermutungen. Beruflicher und privater Stress, das große Angebot an Freizeitmöglichkeiten, die zunehmende Überlastung an Informationen waren verantwortlich dafür, dass viele Menschen dieser Entwicklung nicht mehr standhalten konnten und krank wurden. Das Streben nach Gewinn stand vor den menschlichen Bedürfnissen.

„Wenn die Entwicklung so weiter geht, wie bisher, wird es in Zukunft immense Belastungen im Gesundheitswesen geben, die eine Reform brauchen würden, die das soziale System von Grund auf erneuern werden muss, was Auswirkungen vor allem für die ärmeren Bevölkerungsschichten haben dürfte, weil sich diese die Kosten für eine Behandlung nicht mehr leisten werden können, wenn zum Beispiel die Krankenversicherung nicht mehr in solchem Ausmaß aufkommen wird können, wie es nötig und für die Gesundheit der Gesamtbevölkerung wichtig wäre, bedeutete dies ein Ende der erfolgreichen Sozialpolitik.“, hieß es in diesem Bericht.

Ich stimmte mit dem Autor völlig überein. Depressionen konnten wirklich jeden ereilen. Viel Aufklärungsarbeit würde noch geleistet werden müssen, um die Bevölkerung davon zu überzeugen, dass depressive Menschen an ihrem Schicksal nicht selbst Schuld waren, sondern die veränderte Umweltsituation, sie in diese Notlage brachte. Dieses Thema verdrängte meine Fröhlichkeit, die ich am Vortag, noch gehabt hatte. Peter hingegen strahlte immer noch dieses unbekümmerte Glücklichsein aus. Ihn konnte, so glaubte ich, nichts mehr aus der Fassung bringen.
Den ganzen Tag war ich sehr bestürzt, schwieg stundenlang, hörte auf mir Gedanken über mich zu machen, nahm Anteil am Rest der Welt. Vielleicht hatte ich mich zu lange mit mir selbst beschäftigt, die Dinge, um mich herum einfach nicht wahrgenommen. Was für ein Egoist war ich doch, blind für andere und deren Probleme, dennoch konnte mein jetziger Weg nicht falsch sein, weil ich auf mein Gefühl vertraut hatte. Gefühle, so sagte ich einst, konnten nicht lügen. Diesem Gesetz vertraute ich und wollte es auch einhalten. Ich fühlte mich schlecht, einfach deshalb, weil ich anfing an mir selbst zu zweifeln.
Auch in den nächsten Tagen änderte sich nichts an meiner Stimmungslage. Peter ließ mich allein, ich sollte mir, wie immer, selbst eine Antwort geben.
Lustlos machte ich meine Spaziergänge durch den Hafenort, die Leute wurden mir zur Last, das Geschreie der Händler, wie sehnte ich mich nach Ruhe, nach einer tiefen Meditation, die mir in diesen Tagen einfach nicht gelingen wollte. Ich konnte nicht abschalten, zuviel kam wieder in mir auf, was meinen Heimatort und Anna betraf. Hatte ich eine falsche Entscheidung getroffen, war diese Reise meine Bestimmung, hätte ich es vielleicht doch mit Anna ausprobieren sollen, was bedeutete dieser Traum? Zu viele Fragen und Zweifel waren in meinem Kopf, um einen klaren Gedanken zu fassen.
Dieser Traum, so nah, dachte ich, war ich der Antwort, was die Traumgestalt, die Unendlichkeit des Hügellandes betraf. Jetzt durfte ich nicht aufgeben, das war mein Beschluss. Das Ziel konnte nicht mehr weit sein. Ich erinnerte mich an ein Gespräch mit Anna zurück, wo die Rede davon war, dass man manchmal über Umwege ans Ziel kam. Jetzt war ich gerade auf einem dieser Umwege, eine Mauer hatte sich vor mir aufgetan, von der ich jedoch wusste, je näher ich ihr kam, desto maroder würde diese werden und ein schwacher Windstoß konnte sie zum Einsturz bringen. Um jedoch diesen Windstoß zu entfachen, brauchte es viel Kraft und Geduld. Ich hoffte, dass diese „Night of Immortality“ mir diese Kraft geben würde können. Bisher wusste ich von dem Fest, jedoch reichlich wenig.
In Gedanken wollte ich sie mir vorstellen, doch das mit dem Vorstellen ist so eine Sache. Wer kennt das nicht, man bucht irgendwo einen Urlaub, freut sich schon Wochen vorher darauf, versucht sich abends vor dem Schlafengehen das Hotel, den Strand, das Betreuerteam vor Ort und alles mögliche, vorzustellen, bis man dann im Hotel ankommt und die Phantasiewelt, die man sich vorher mühsam aufgebaut hat, zusammenbricht.
Aus diesem Grund ließ ich mich einfach überraschen, um nach diesem Fest, nicht enttäuscht zu sein, was ich allerdings nicht hoffte und als sehr unwahrscheinlich hielt. Peter, der selbst bei dieser „Nacht der Unsterblichkeit“ teilgenommen hatte, war mir Beweis genug, dass diese Nacht mein Leben verändert wird.

An einem der letzten Abende, die wir in diesem Fischerdorf verbrachten, stieg mein Interesse für das Fest rapide an. Beim Abendessen fragte ich Peter:
„Was wird dort mit uns geschehen, warum wird so ein großes Geheimnis daraus gemacht?“
„Emil, du musst verstehen, dass, wenn ich dir jetzt mehr darüber sage, die Wirkung, die diese Nacht auf dich ausüben soll, nicht mehr die gleiche sein wird, wie wenn du ohne jegliche Ahnung darüber alles auf dich zukommen lässt.“, antwortete er. Weiters fügte er hinzu: „Ich habe dir vielleicht schon mehr gesagt, als es nötig und gut für dich wäre. Vertrau mir ganz einfach!“
„Ich vertraue dir, doch die letzten Tage haben mich sehr verändert. Es ist so, dass ich von einem Hochgefühl in ein Gefühl der Lustlosigkeit gefallen bin. Diese intensive Freude, die ich vor einigen Tagen gehabt hatte, hat sich in eine tiefe Trauer und in einen Selbstzweifel verwandelt. Nur der Gedanke an diese geheimnisvolle Feier hat mich weiter diesen Weg gehen lassen, deshalb bin ich auch so wissbegierig und gespannt, was mich dort erwarten wird.“, sagte ich.
„Du weißt, was ich dir im Zugabteil gesagt habe, dass das Leben intensiver wird. Das bedeutet aber auch, dass sowohl die Freude, als auch der Schmerz verstärkt werden. Was du jetzt durchlebst ist nur ein Bruchstück von dem, was du nach dieser „Nacht der Unsterblichkeit“ erleben wirst. Jetzt möchte ich aber aufhören, davon zu sprechen, sonst sage ich noch mehr, als mir lieb ist.“, sagte Peter.

Mein Leben würde also intensiver werden. Diese Vorstellung machte mir zum einen Angst und zum anderen erfüllte sie mich mit Hoffnung und neuer Freude auf das Bevorstehende.

Die Tage bis zu der Nacht, die mein Leben verändern sollte, zogen sich in eine erschreckende Länge. Die Zeit schien still zu stehen. Meine Vorfreude wuchs von Minute zu Minute an, ich konnte es kaum mehr erwarten. Auch meine Stimmung hatte sich in diesen Tagen etwas gebessert, weil ich zu sehr damit beschäftigt war, mich auf die „Nacht der Unsterblichkeit“ vorzubereiten. Die Vorbereitung verbrachte ich mit Meditation, die mir immer besser gelang, mit Spaziergängen, mit Beobachtungen, vor allem der Fischer, die, wie mir schien, viel Freude mit ihrem Beruf hatten, und mit Gesprächen mit Peter.
Schließlich war ich wieder völlig entspannt, mir gefiel, wie die Leute hier im Dorf lebten. Sie kannten keinen Stress, führten ihre Arbeit mit Liebe aus, erfreuten sich an den Kleinigkeiten des Lebens. Diese Menschen lachten viel, konnten aber auch emotional reagieren, wenn ihnen irgendetwas nicht passte. Sie ließen ihren Gefühlen freien Lauf, verstellten sich nicht, wenn sie traurig waren, akzeptierten einander. Natürlich gab es kleinere Streitereien, die aber schnell wieder beigelegt waren und man versöhnte sich auch meistens wieder.
Warum sie solch eine Einstellung zum Leben hatten, wusste ich nicht.

Es brach der letzte Tag vor dem großen Fest an. Ausgeschlafen packten wir unsere Habseligkeiten zusammen, nahmen ein Frühstück ein, kauften etwas Proviant am Markt. Wir beschlossen wieder die Bahn zu nehmen, da sie sich als angenehmes Reisemittel bewährt hatte. Im Zugabteil hatte man genügend Platz und Ruhe, und ich hatte mich auch schon an das Geräusch des fahrenden Zuges gewöhnt, es beruhigte mich sogar und half mir bei meiner Meditation.

Als sich der Zug in Bewegung setzte wurde Peter plötzlich ernst und sehr ruhig, er schien über irgendetwas nachzudenken.
„Wie fühlst du dich, Emil?“, fragte Peter schließlich. Etwas verwundert wegen der Frage und des Ernstes in seiner Stimme sagte ich:
„Gut! Ich meine, ich bin etwas beunruhigt, weil ich nicht weiß, was mich erwarten wird, aber da ich dir und meinem Gefühl vertraue, bin ich dennoch guter Dinge.“
„Ich danke dir für dein Vertrauen. Weißt du, Emil, es ist für mich nicht leicht, aber ich hoffe, dass du weißt, obwohl ich so wenig über die „Nacht der Unsterblichkeit“ erzählt habe, dass du morgen erwachen wirst und dein altes Leben damit hinter dir lässt. Deshalb frage ich dich, ob du dir sicher bist, dass du diesen Schritt beschreiten willst?“
Ich zögerte kurz, dachte über Peters Frage noch einmal nach, erinnerte mich an mein „altes Leben“ und sagte nur:
„Ich möchte diesen Schritt gehen.“
Peter verstummte wieder.

Diese Fahrt war anders als alle anderen Reisen, die ich in meinem Leben bisher unternommen hatte. In der Luft lag eine eigenartig gespannte Stimmung. Mein Herz pochte vor Aufregung. Peter war noch immer sehr ernst und vertieft. An was mochte er gerade denken? Je länger ich ihn betrachtete desto unheimlicher wurde er mir. Dieser gute Begleiter nie war mir aufgefallen, dass er je in solch einer Stimmung gewesen wäre. Er war immer so ausgeglichen, völlig entspannt, ein wenig weltfremd, schien mir, und was mich besonders beeindruckte, dass war seine Art, den Dingen, so klein und unbedeutend sie auch sein mochten, gegenüberzustehen.

Die Zugfahrt zog sich immer mehr in die Länge, es kam mir vor, als ob diese Fahrt unendlich wäre. Die Stille in unserem Abteil wurde nur durch das Geräusch des fahrenden Zuges gebrochen. Alle Vorgänge in meinem Körper wurden mir plötzlich bewusst, das Heben und Senken des Brustkorbes beim Ein- und Ausatmen, das Zwinkern der Augen, meine Haut, die übersät von Nervenzellen, meinem Gehirn Signale sendete, die mich Wärme als auch Kälte und Druck empfinden lassen konnten. All diese Vorgänge funktionierten ohne mein Zutun, mein Körper regelte sich von selbst. In diesen Momenten spürte ich mich selbst als Person. Es war ein sehr intensives Gefühl, ich erkannte meinen Körper, meine Seele jedoch lag noch in einem unberührten Terrain, das ich bald erkunden würde können, hoffte ich zumindest.
Auf dieser Fahrt vergaß ich völlig meinen Traum, ich hatte nur mehr eines im Kopf – die „Night of Immortality“.

Endlich kamen wir an unserem Ziel an. Peter legte seinen Ernst ab und schien wieder ganz der Alte zu sein.
„Diese Stadt nennt sich Z. Wie findest du sie?, fragte Peter.
„Sieht aus, wie jede andere Küstenstadt. Kaum zu glauben, dass sich gerade hier mein Leben ändern soll.“, erwiderte ich.
„Du wirst bald erkennen, dass diese Stadt, die so friedlich und herkömmlich wirkt, vieles zu bieten hat, dass man erst beim zweiten Hinsehen erkennt. Sie ist etwas ganz Besonderes. Komm, lass uns weitergehen, dann wirst du sehen, was ich meine.“, sagte Peter.

Anmerkung des Autors:

Dies ist nur ein Fragment, wer die ganze Erzählung lesen möchte, kann dies indem er eine Email an 28eddi@gmx.at sendet.
Gegen eine Bearbeitungsgebühr und einer Unterstützung bei meinem Studium der Psychologie und der Politikwissenschaften an die folgenden österreichischen Bankverbindungen erhälst du nach Eingang der Überweisung ein Worddokument mit dem Original "Emil Vogel".

Überweisung mit dem Gesamtbetrag von € 13 an:
Andreas Pfeiffer, Volksbank Alpenvorland Grein, Ktnnr. 46350660000, BLZ 43530
oder
Andreas Pfeiffer, Raiffeisenbank Grein, Kttnr. 37291, BLZ 34068

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emil vogel

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