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Der unglückliche General

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Der Regen, der seit dem frühen Morgen fiel, band den Staub der ausgetrockneten Erde und verwandelte die Gräben bis zum Mittag in ein Labyrinth aus Schlamm, welches von unzähligen Pfützen übersät war. Ein junger Soldat war bemüht, die klumpige Erde vor dem Eingang des Unterstandes, der dem Stab als Hauptquartier diente, so aufzuschichten, dass das angestaute Wasser nicht in den Bau hineinfließen konnte. Seine Bemühungen waren von mäßigem Erfolg gekrönt, da jeder Eintreffende beim Betreten des Unterstandes eine gehörige Ladung Schlamm über die Schwelle beförderte.
Im Unterstand saß General Argento am großen Kartentisch und hatte Kopfschmerzen. Er war gerade einmal in der zweiten Hälfte seiner Vierziger und viele der älteren Kameraden missgönnten ihm den frühen Erfolg. Man munkelte hinter seinem Rücken, er sei nur aufgrund seiner Beziehungen zu einigen hohen Beamten im Kriegsministerium, Freunde seines Vaters, so schnell befördert worden. Anders als sein Vater eilte ihm nicht der Ruf eines brillanten Strategen voraus. Argento besaß zwar ein besonderes Talent in Sachen Organisation und Disziplin, aber er wusste, dass man ihn als Soldaten nicht sehr hoch achtete. Im Laufe seiner Karriere hatte dies an ihm deutliche Spuren hinterlassen; er nahm Pulver zum Schlafen, aß wenig (dementsprechend mager war er) und sprach meist nur sehr leise.
Die Kommandeure und Stabsoffiziere waren nun fast vollzählig versammelt und hatten rund um den Kartentisch platz genommen. Als Letzter traf Generalleutnant Smitt ein, ein alter, grimmiger Krieger. Er war stämmig und trug eine Augenklappe. Sein spärliches graues Haar hatte einen unregelmäßigen Ansatz, da im zwei große Narben quer vom Kiefer über die rechte Wange zur Stirn und Schläfe hinliefen. Smitt war ein echter Held, ein Krieger vom alten Schlag, der wenig auf vorsichtiges Taktieren und die Zahlen der Gefallenen gab. Wegen seines unorthodoxen Verhaltens war er bereits zweimal in seiner Laufbahn degradiert worden und es passte ihm ganz und gar nicht, Argento, seiner Meinung nach ein feiger Grünschnabel als Vorgesetzten zu haben, woraus er, gemäß seiner Natur, keinen Hehl machte. Er hatte den Stumpen einer Zigarre im Mundwinkel und warf beim Eintreten seinen Mantel achtlos der Ordonnanz zu, die ihn begierig auffing wie die Reliquie eines Heiligen. Smitt setzte sich ans Kopfende gegenüber von Argento.
„Dann wollen wir mal Krieg spielen“, sagte er dröhnend und sah auffordernd in die Runde.
„Zunächst sollten wir uns mit dem Problem der Nachschubwege unserer Reserve befassen“, hielt Argento dagegen, den Blick auf ein Papier vor sich auf dem Tisch gerichtet.
Smitt sprang behände auf, wie man es einem solchen Veteranen nicht zugetraut hätte, lief zur großen Wandkarte und schlug mit dem Handrücken auf die eingetragenen Einheiten.
„Nachschub, Reserve, darüber können wir uns Gedanken machen, wenn wir die Bastarde da drüben vernichtet haben. Wir sind ihnen zahlenmäßig überlegen und hätten sie schon vor Wochen schlagen können, aber alles, was wir tun ist, im Dreck zu kauern und die Reserve zu verstärken.“
Sein Gesicht war vor Erregung gerötet.
„Sie sind in der besseren Position, sie haben ihre Stellungen so gut befestigt…“
„Unsinn“, fiel Smitt Argento ins Wort, „wir bräuchten nur Ihre verdammte Reserve nach vorn schaffen und sie dann mit einer gewaltigen Angriffswelle überrollen. Dann bliebe von ihren befestigen Stellungen nicht mehr als eine zertrampelte Sandburg übrig.“
„Ist das Ihr Vorschlag?“ fragte Argento leise.
Smitt sah ihn irritiert an, als könne er nicht glauben, wie etwas so Offensichtliches so schwer zu begreifen sein konnte.
„Ja, natürlich“, sagte er dann schon etwas ruhiger.
„Aus meiner Sicht ist eine solche Vorgehensweise wie die von Ihnen vorgeschlagene in unserer gegenwärtigen Lage nicht empfehlenswert. Des Weiteren bitte ich Sie darum, Ihren nächsten Vorschlag nicht dann einzubringen, wenn ein anderes Problem diskutiert wird.“
Argentos Mund war trocken und er fühlte sich fiebrig. Der Schmerz in seinem Schädel schien zuzunehmen. Aber er wusste, er durfte jetzt nicht klein beigeben, wenn er nicht sein Gesicht und die Achtung seiner Kommandeure vor seinem Rang verlieren wollte. Stets mussten zwei Schlachten geschlagen werden.
Die Sitzung verlief mühsam, da alle von der Unruhe Smitts berührt zu sein schienen und die Diskussion über Versorgungsangelegenheiten ihnen wie Zeitverschwendung erschien. Oberst Martý, ein sehr tüchtiger Soldat mit einem dichten rötlich blonden Vollbart erhob sich nun. Er war kein ausdrücklicher Gegner Argentos, doch als er nun die Stimme erhob, war klar, auf wessen Seite er stand.
„Meine Herren, etwas muss geschehen.“
Abwartend blickte er in die Runde und, als sei er unsicher, was er zunächst habe sagen wollen, strich er sich über die Uniform, griff das Heft seines Degens und fuhr fort:
„Zu viele Tage sind vergangen, die allein mit Zahlenspielereien und dem Aufstellen aufwendiger Inventarlisten vertan worden sind. Doch der Kampf, den wir hier ausfechten zur Verteidigung solch hehrer Ideale, ist von immenser Bedeutung für unsere Nation, wir sollten demnach nicht überstürzt oder gar unvorsichtig handeln. Dem Kühnen gehört der Tag, doch wird er den Abend nur erleben, so er einen kühlen Kopf beweist.“
Martý setzte sich und wartete auf eine Reaktion, vor allem seitens Argentos, denn zum einen hatte er ihn gestützt, zum anderen wollte er ihn auch prüfen. Argento saß ein wenig krumm auf seinem Platz und räusperte sich. Vorsichtig abschätzend blickte er zunächst in die Gesichter seiner Offiziere.
„Nun, gut“, setzte er an, aber die Worte hingen unvollständig in der Luft, denn er wusste nicht, wie er den Satz beenden sollte. Die erwartungsvollen und zum Teil geringschätzigen Blicke ruhten nun alle auf seiner hageren Gestalt. Es war kühl im Unterstand, doch er schwitzte und das Pochen in seinem Schädel übertönte seine eigenen Worte fast, so dass er selbst nicht hörte, welche Befehle er den Männern gab. Die Möglichkeiten abwägen und die eigene Position sichern, dachte er.
„Wir sollten zunächst die Möglichkeiten eines Angriffs abwägen und bis dahin unsere Position sichern. Oberst Martý, Sie werden mir bei unserem nächsten Zusammentreffen die Pläne vorlegen.“
Die Offiziere erhoben sich, die Besprechung war vorüber. Argento schleppte sich durch den Regen und rang mit sich selbst. Kennen wir ihre Stärke genau? Wie sehen ihre Stellungen aus? Ich muss angreifen, sonst wird das Kriegsministerium mich abkommandieren. Aber ist es das wert, Tausende erst in die Ungewissheit und dann in den Tod zu schicken? Ich sollte auf einem Schimmel, den Degen gestreckt, vorausreiten. Das ist die Schwäche. Wahrscheinlich bin ich ernsthaft krank. Wie zur Bestätigung musste er husten, als er sein Zelt erreicht hatte. Ich werde den Doktor kommen lassen, vielleicht weiß er Rat. Dann ging er ins Bett, wo er sich nach langem Ringen einem unruhigen Schlaf hingab.


II

Seit unbestimmter Zeit von allgemeinem Unwohlsein geplagt, sollte dem General nun auch die Zuflucht in den heilsamen Schlaf verwehrt bleiben. So schien es. Er hatte die Augen erst wenige Minuten geschlossen, da tat er sie schon wieder auf, ohne den genauen Grund dafür zu kennen. Vielmehr hatte er das unbestimmte Gefühl, nicht allein in seinem Quartier zu sein. Beschwert von Müdigkeit und beginnendem Schlaf richtete er sich im Bett auf und spähte ins Dunkel. Erst konnte er gar nichts erkennen, doch dann wich das undurchdringliche schwarz verschiedenen Schattierungen von grau. Das Zelt war leer. Vor dem Eingang zeichnete sich schwach die Silhouette des Wachpostens ab. Gerade hatte er sich wieder hingelegt, da hörte er eine tiefe, raue Stimme aus der hinteren Ecke des Zeltes, gegenüber von seinem Lager.
„Nun, Herr General, wie fühlt Ihr Euch? Steht es so schlecht mit Euch, da Ihr dem alles entscheidenden Angriff entgegenfiebert oder weil Ihr Euch den Schädel mit unsinnigen Versorgungsproblemen zermatert? Ich nehme an, das Letzter trifft wohl eher zu.“
Der Fremde lachte leise.
„Wer ist dort? Was haben Sie in meinem Quartier zu suchen? Sie geben sich besser zu erkennen, sonst rufe ich die Wache, um Sie arretieren zu lassen.“
Wieder lachte der Unbekannte leise, aber mit der deutlichen Sicherheit des Überlegenen.
„Nennt mich Ares, nennt mich Mars, allzu viele Namen sind mir vom Menschengeschlecht gegeben.“
„Der Kriegsgott“, fragte Argento ungläubig.
„Ganz recht.“
Der Fremde trat nun aus dem Schatten näher an das Lager des Generals. Er trug eine fremde Uniform und, das verwunderte den General am meisten, unter seinem Hut ragten zwei Hörner wie bei einem Widder hervor.
„Was ist das für ein Unsinn? Ich habe wichtige Pflichten und bedarf der Nachtruhe. Welcher Scherzbold erlaubt es sich, den Kommandanten in tiefster Nacht so unverschämt zu stören?“
„Ich nannte Euch meinen Namen schon, doch stell ich’s Euch frei, einen neuen mir auszuwählen.“
Der Fremde war sehr groß und von kräftiger Statur, doch weder seine Gestalt noch seine Stimme waren Argento bekannt.
„Unsinn, ich glaube nicht and Götter – schon gar nicht an mehrere. Solch heidnisches Brauchtum ist bloßer Aberglaube.“
„Aufgeklärt und gebildet spricht der Feldherr, doch vermag er keinen Mann zu führen“, höhnte der Gehörnte.
„Beweisen Sie zuerst wer und was Sie sind, bevor Sie sich ein Urteil über meine Person anmaßen!“
Das dreiste Auftreten des Unbekannten reizte Argento sehr. Ein Komiker, der ihm mit Geschichten über heidnische Götter auf die Nerven fiel, war das Letzte, was ihm fehlte.
„Nichts Leichteres als das“, sagte der Fremde mit sichtlicher Freude.
Plötzlich waren das Zelt und auch die Stellungen verschwunden und der General stand vollständig bekleidet neben seinem nächtlichen Besucher auf einer Anhöhe, die von Geröll bedeckt war. Unter ihnen erstreckte sich karger Wüstenboden.
„Wo sind wir?“ fragte der General.
„Verzeiht, mir war entfallen, dass dies Ereignis in eurer Geschichte gänzlich fehlt. Wie dem auch sei, das Geschehen liefert trotzdem einen guten Beweis für meine Fähigkeiten. Seht, von rechts nahen die Bewohner der Höhen, zahlenmäßig weit unterlegen. Sie treffen nun auf die Krieger der Ebene, die außerdem noch die besseren Waffen tragen. Doch sie versäumten es, ihrem wahren Feldherren ausreichend Gaben darzubringen. Die Gebirgsleute dagegen opferten ihre liebsten Kinder und das Beste der Ernte zu meinen Ehren. Nun seht, Euer militärischer Sachverstand wird ins Wanken geraten.“
Argento sah die beiden Armeen in der Ebene zum Angriff übergehen und fand, es sei ein hoffnungsloses Unterfangen seitens der Gebirgskrieger. Die Feinde drängte sie bis zum Fuß der Anhöhe, doch Argentos Begleiter winkte ab mit einer beiläufigen Handbewegung und mit einem Mal fielen die Bedrängt mit zehnfacher Kraft über ihre Gegner her, bis die meisten erschlagen, geflüchtet oder gefangen genommen waren.
„Zweifelt Ihr nun noch immer an meiner Macht“, fragte der Kriegsgott mit einem Ausdruck des Stolzes auf seinen markanten Zügen.
„Was wollt Ihr dann von mir?“ fragte der General mit Unbehagen.
„Später, später“, antwortete sein Begleiter.
„Vorher möchte ich Euch noch einige Beispiele meiner Künste geben.“
Noch während er dies sprach, verwandelte sich die karge Geröllwüst in die saftig grüne Küste Englands. Hier wurden sie Zeugen des Sieges Wilhelms dem Normannen bei Hastings.
„Hat er Euch auch Opfer dargebracht“, fragte Argento.
„Wie Ihr selbst schon sagtet, ist der Vielgötterglaube veraltetes heidnisches Brauchtum. Doch an eine Macht irgendeiner Art glauben alle Generäle. Daraus beziehe ich meine Kraft. Der Opfer bedarf es nicht mehr. Ich bin in der Lage, nach eigenem Ermessen zu handeln und das von jeher. Launisch sind die Götter.“
Er lachte laut.
„Doch die Bedingungen zum Gewinn meiner Unterstützung sollen Euch verborgen bleiben, es sei denn, dass Ihr sie selbst erkennt. „
Zuletzt standen sie auf den Feldern bei Waterloo, was für den göttlichen Besucher eine besondere Freude war.
„Dieser Napoleon Bonaparte, ein wahres Genie im Felde, doch persönlich mochte ich ihn nie sehr. Nun habt Ihr, mein werter Freund, mit angesehen, wie selbst die größten Feldherren der Geschichte vor meiner Macht kapitulieren. Zuletzt werden wir uns nun ein Schlachtfeld ansehen, das Euch wohl bekannt sein dürfte.“
Unter ihnen, sie schienen über einer Schonung von Birken zu schweben, lag das vertraute Grabensystem, nur schwach beleuchtet von wenigen abgedunkelten Laternen und dem Licht der Stern, welches sich in den großen Pfützen spiegelte.
„Das Ministerium hat es Euch freigestellt, den Angriff nach eigenem Gutdünken zu organisieren und durchzuführen. Was aber wie ein Vertrauensbeweis an einen erfahrenen Strategen wirkt, ist vielmehr eine Bewährungsprobe für einen weniger bemittelten Soldaten. Ich habe das Wirken der Armeen dieser Welt lang genug beobachtet, um sagen zu können, Ihr, General, werdet kein falsches Urteil fällen. Zieht in die Schlacht.“
Er deutete auf Argentos Degen.
„In diesem Zeichen werdet Ihr siegen.“
Argento blieb allein zurück in der Dunkelheit, durch die ein diabolisches, dröhnendes Lachen klang.


III

Eine Hand schüttelte ihn an der Schulter. Mit einem Schlag saß er kerzengerade im Bett.
„Wo ist er?“
„Er wartet bereits draußen, aber woher wissen Sie…“
Argento sprang aus dem Bett, kleidete sich hastig an, schob die verdutzte Ordonnanz beiseite und eilte aus dem Zelt, so dass die Schläge hinter ihm flatterten.
Vor seinem Zelt stand ein Offizier mit dem Rücken zu ihm. Er machte sich nicht die Mühe, sich herumzudrehen, als Argento sich näherte.
„Guten Morgen, General“, sagten Smitt und Martý, der ihn begleitete.
Ohne den Gruß zu erwidern sah Argento unruhig zuerst die beiden Offiziere und dann seine Ordonnanz an.
„Er hat auf mich gewartet?“ fragte er.
„Aber ja. Als Sie sich noch nicht erhoben hatten, bat er mich, Sie zu wecken. Stimmt etwas nicht?“
„Nein, nein. Schon gut. Lassen Sie uns allein.“
„Jawohl, General.“
„Meine Herren“, sagte Argento nun an Smitt und Martý gewandt, „was verschafft mir die Ehre Ihres frühmorgendlichen Besuchs?“
Oberst Martý trat jetzt vor, um zu sprechen.
„Die Lage ist ernst, General, und ich will offen sprechen. Das Ministerium hat mich beauftragt, über Euer Vorgehen gesondert Bericht zu erstatten.“
Argento nickte langsam. Es war keine Überraschung für ihn.
„Man fürchtet einen Durchbruch, wenn es dem Feind gelingen sollte, seine Truppen zu verstärken und in die Offensive zu gehen. Wir sollten dem vorbeugen und mit einem gezielten Schlag ihre Stellungen brechen.“
„Es wird Zeit, diesen Schlag endlich mit aller Macht zu führen. Er ist längst überfällig. Wir sind schließlich keine Armee von Bürokraten. Nein, wir sind Soldaten. Und sollte unser Blut auf dem Feld vergossen werden, gut, dann sei es so. Eine Armee besteht nicht aus Einzelnen, sie ist eine untrennbare Einheit. Zu fürchten ist nicht der Tod, sondern die Niederlage – und dagegen gibt es nur ein Mittel, im Kampf über sich hinauszuwachsen und den Sieg davonzutragen.“
Smitt hatte die Faust geballt und sein verbliebenes Auge funkelte bei seinen Worten. Nun sprach Argento und etwas schien verändert; seine Stimme klang lauter und fester, seine Haltung war straffer, er erschien, wenn auch nicht vollkommen gesundet, so doch energiegeladener als üblich.
„Meine Herren, ich danke Ihnen für Ihre Offenheit und für Ihr Vertrauen. Jedoch waren Ihre Mühen überflüssig, da ich unabhängig von Ihrem Einwirken zuvor bereits eine Entscheidung getroffen habe. Ich bin derselben Meinung wie Sie, dass ein entscheidender Schlag gegen den Feind von Nöten ist. Wir verfügen nach überreichlicher Vorbereitung nicht nur über eine exzellente Truppe in den Stellungen, die darauf brennt, aus dem Schlamm der Warterei hervorzustreben und sich mit vollem Eifer dem Gegner entgegen zu werfen, wir haben nun zu unserer Disposition eine nicht minder lobenswerte Reserve, die jederzeit bereit ist, etwaige Lücken in unseren Gefechtslinien zu füllen.“
Besonders Oberst Martý war erleichtert über diesen Umschwung des Kommandeurs, obwohl er nicht sicher war, woher er rührte, denn es wäre seine Empfehlung gewesen, die zur Ablösung Argentos geführt hätte, wenn dieser noch immer keine offensiven Maßnahmen ergriffen hätte. Obwohl dies auch aus seiner Sicht nur gut und recht gewesen wäre, war ihm bei dem Gedanken stets unwohl gewesen, denn General Argento hatte sich allzeit um das Wohl seiner Soldaten gekümmert und seiner eignen Gesundheit schien das Soldatenleben nicht sehr zuträglich gewesen zu sein. Im Grunde fühlte er wohl ein wenig Mitleid für ihn, der von vorneherein mit Missfallen betrachtet wurde.
In der nächsten Zeit ging alles sehr schnell. Ein Angriffsplan war schnell erstellt, denn man kannte sowohl Gegner als auch Terrain sehr gut, durch die lange Beobachtungsphase. Der lauernde Löwe setzte nun zum Sprung an. Am Morgen des Angriffs zog der General seine frisch gereinigte Uniform an und hängte den polierten und geschärften Degen ein. Er würde nicht nur die letzte Parade persönlich abnehmen, sondern auch an der Spitze des Heeres seine Truppen zum Sieg führen. Schließlich begann das Bombardement der feindlichen Stellungen, so dass die Luft von Donner erfüllt war und die Erde erzitterte. Als die Stellungen ausreichend zermürbt waren, setzte die wimmelnde Masse sich erst schwerfällig, dann immer schneller in Bewegung. Allen voran ritt Argento auf einem leuchtenden Schimmel mit dem Ausdruck grimmiger Entschlossenheit auf dem Gesicht.
Der Kampf dauert lang, denn die Feinde, obwohl zahlenmäßig unterlegen, leisteten erbitterten Widerstand. Nicht weniger entschlossen waren die Männer unter Argentos Führung, der zuerst mit gezogenem Säbel voranritt und so heftig focht, dass das Fell seines Schimmels rot gefärbt vom Blut war. Die einfachen Soldaten wichen zurück, als sie diesen scheinbar übermenschlichen, jedoch urtümlichen Krieger erblickten. Argento schein besessen von einer macht, die ihm die Kraft von fünf Männern verlieh und er kämpfte wie ein wilde Bestie. Unter der Führung seines Degens stürmten seine Truppen die Schanzen, die vom Gegner beim Rückzug verlassen worden waren. Der Schimmel stampfte unruhig und drehte sich, Argento reckte die bluttriefende Waffe empor. Es sah aus wie ein lebendiges Reiterstandbild. Die Stellungen des Feindes waren besetzt, der Sieg war perfekt. Da hörte man einen einzelnen Schuss, das Pferd bäumte sich auf und warf den Reiter ab, bevor es unaufhaltsam davonsprengte und nie wieder gesehen ward. Argento lag schwer atmend auf dem Rücken und spürte seine Glieder erkalten.
„Habe ich gesiegt?“ hauchte er zuletzt, doch es war niemand nah genug, um ihn zu hören.


IV

In den darauf folgenden Tagen zog der Feind massiv Truppen zusammen und eroberte seine alten Stellungen zurück. Der neue Kommandeur Smitt ließ keine Möglichkeit aus, seine geschwächten Truppen in den Kampf zu werfen, doch es gelang ihm kein einziger Durchbruch. So versackte die Armee langsam ihm Schlamm, aufgeweicht durch den wieder einsetzenden Regen.


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Daydreaming

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