← Zurück zur Übersicht

deR EntfesselungskünstleR

Share
,eine Entfesselung bitte, sagen die meisten, die zum ersten Mal kommen, noch etwas schüchtern, verlegen, wissen noch nicht, was sie wollen, ob es so gesagt werden darf, so direkt, ob es auch anständig ist. er gibt sie ihnen, fesselt sie, ein Schauspiel, wenn man ihm zuschaut, wie er flink um die Person herum schnellt, mit einem Seil in der Hand, ohne sie zu berühren, sich bückt, reckt, alles in einer fließenden Bewegung, fast wie ein Tanz, was ihm den Beinamen ,der Seiltänzer, gegeben hat. die Kunden sitzen da, fragen sich manchmal, wann er denn mit der Fesselung anfange, endlich aufhöre sie zu vermessen, als er sie schon zur Kasse bittet, sie verwundert aufstehen, ihm folgen, schon in einer sanften, sie umschließenden, kaum spürbaren Hülle die Bewegungshinderung spüren, sie jedoch kaum wahrnehmen. ,sie muß noch etwas einwirken, sich ihren Bewegungen anpassen, um den vollen Genuß zu spüren, teilt er ihnen mit, die leicht verwundert dastehen, ihm nicht ganz glauben, trotzdem zahlen. den Preis fanden sie auch nicht sehr hoch, daß sie etwas beanstanden hätten können, da die meisten nur wegen dieses Preises sich der Neugierde hingaben, diesen noch Unbekannten mit seinem Angebot zu testen. er wirft das Seil um sie, macht Schlingen, kennt die Anatomie genau, hat viel Übung in seinen Abmessungen, nie stand noch etwas über, hatte er einen Rest Seil, konnte jemand eine passungenaue Stelle an seinem Körper bemerken. dann fragen welche, ob er auch entfesseln könne, da sie mit ihren Fesseln nicht mehr zu frieden waren, kommen fast bewegungsunfähig zu ihm. er schaut sie lächelnd, fast spöttisch, mit seinem ausdruckslosem Gesicht, herabblickend an, die dort vor ihm unbequem stehen, sitzen, liegen, in seltsamen, verkrampften, verklemmten Stellungen, die lächerlich wirken mußten, ihm jedoch noch nie eine Beurteilung entlockt haben. ,wer hat sie denn gefesselt, fragt er gelegentlich, sie in den Behandlungsraum bringend. sofort macht er sich ans Werk, und noch ehe sie sich in seinem Arbeitsraum bemerken, wahrnehmen, daß er schon wieder um sie herum tanzt, fließt, bittet er sie schon wieder freundlich zur Kasse, der sie verwundert, erleichtert folgen, kaum ihre neue, nur wieder erlangte Bewegungsfreiheit begreifen können. in dieser Überraschung, Lösung aller Fesseln zahlen sie, ohne zu überlegen, aus Dankbarkeit für seine Mühe den leicht über den Fesselungen liegenden Preis. ,wer hat sie denn gefesselt, fragt er wieder, wenn sie erneut bewegungsunfähig vor ihm kauern, die oft nicht mehr antworten können. sofort bringt er sie in seinen Raum, huscht um sie herum, schon können sie wieder zur Kassen folgen, in plötzlicher, wieder gekehrtem Bewegungsdrang, ohne daß sie seine Behandlung wahr genommen hätten. größer ist ihre Erleichterung dieses Mal, so auch ihr Verständnis für den Preis, ihre Dankbarkeit, die sich auch bei erneuter Wiederkehr steigert, wenn sich wieder eine unsichtbare Hülle um sie geschlossen hat, die sich bei jeder Bewegung fester zu spannen schien. nie hat man Fesseln, gelöste geschnittene Seile, eine Schere, ein Messer in seinem Raum liegen gesehen, aus dem sie jedoch gleich nach der Behandlung entfernt wurden, aus dem sie sich der wieder gekehrten Freiheit, dem Drang nach Bewegung hingebend willig entfernten, so daß dies niemand hätte bezeugen können, so daß ihn nie jemand verdächtigen wollte. auch wenn sie wieder kamen, in noch engerer Fesselung, da sie seine Künste schätzten, ihn nicht durch eine zu genaue Beobachtung kränken, hintergehen wollten. reizen wollte man ihn auch nicht, war er auch bei vielen bekannt, so ist er doch auch immer etwas unheimlich geblieben, da ihm und seiner Arbeit noch keiner näher gekommen war, da sie ihn immer direkt nach einer Behandlung, wie aufgezogene Autos, haltlos drängend verließen, er sie gehen ließ. man schätzte ihn sehr, auch wenn man über manche neue, zu enge Fesselungen gereizt war, so schob man es doch nicht auf ihn, so kamen sie, in kürzer werdenden Abständen. ,er legt die Fesseln nur um, löst sie nicht, lockert sie nur, wollten ihn manche verdächtigen, anklagen, bei einem nächsten Besuch wieder, genauer auf herum liegende Seile achten, die doch abfallen mußten, da sie sich eine Fesselung ohne diese, Seile nicht vorstellen konnten. auch dieses mal bemerkten sie sich erst an der Kasse wieder, so erleichtert durch den neuen Bewegungsraum, der Geschmeidigkeit erfrischt, daß sie ihm wieder, ohne ihr Vorhaben durch geführt zu haben, folgten. besonders groß war diese Erleichterung, das Folgen, das Vergessen, der Willensbruch, die Gutmütigkeit, wenn sie sich streng die Beobachtung durch zu führen vor genommen hatten und schien mit steigender Strenge zu wachsen. sein Erfolg hat viele Nachahmer hervor gerufen, die ihr Handwerk nicht so verstanden wie er es tat, bei denen man es manchmal nicht Handwerk nennen konnte, zu ungelernt,unerfahren waren die meisten von ihnen. manch Abgewanderter, von den niedrigen Preisen dieser an gelockt, kam schnell wieder zu ihm zurück, sich über jenes Härte, Ungelenkigkeit, Grobheit der Seile, Dauer und anderes beschwerend. ,ihre Seile sind so fein, man spürt sie kaum, lobte man ihn oft. , was kann man bei solchen Preisen erwarten, fragt er dann, wenn sie schon wieder erleichtert an der Kassen stehen. jene Nachahmer waren manchmal so ungelernt, daß man von Todesfällen ihrer Kunden gehört hatte, die am Boden durch ihre Fesseln erwürgt lagen, die sich nicht mehr bewegen, nicht mehr schlucken, nicht mehr essen konnten. nun lief man wieder, durch dies beängstigt, zu ihm, wollte nie abgewandert sein. andere kamen sehr schnell wieder, zur Entfesselung, beklagten sich danach über die fehlende Erleichterung, was er je doch, wenn es bis zu ihm durch drang, auf jene selbst zurück führte, die er noch gar nicht richtig gefesselt nannte, da sie das erste Jucken, welches bei manchen als Nebenwirkung auf treten könne, aus halten hätten sollen, wenn schon nicht ihm, dann wenigstens seiner Arbeit mehr hätten vertrauen sollen oder es erst gar nicht versucht haben sollten, da dieser Mangel an Vertrauen wahr scheinlich selbst erst die Nebenwirkungen hervor gerufen hätte. einige kamen schon, die eine Entfesselung erfragten, die er nicht als gefesselt erkennen wollte, die er fesseln mußte, sie entfesselt zur Kasse zu beten, was ihm je doch egal war, nur mußte er auf seine Seilmengen aufpassen.

Autorentreff-Newsletter

Lass dich per E-Mail über neue Beiträge informieren.

Loading

Autor:in

oswald

oswald

Ehemaliges hhesse.de Mitglied

Du schreibst selbst Gedichte?
Veröffentliche dein Gedicht im Autorentreff von hhesse.de.

Kommentare

Abonnieren
Benachrichtige mich bei
0 Comments
Inline Feedbacks
View all comments