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Das Lazarett

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Die Hitze war unerträglich und auch die Zeltplane änderte nichts daran. Wie die Ärzte bei der Hitze und dazu in all dem Elend, dem Blut, dem Geschrei und der Anstrengung nicht verrückt wurden, war F. ein Rätsel. Fünf Stunden hatte er geholfen und geschwitzt. Ohne Essen, ohne Wasser, ohne Pause. Nachdem er sich das dritte Mal übergeben hatte, war nichts mehr in seinem Magen, was er noch hochwürgen konnte. Fünf Stunden lang hatte er so sehr geschwitzt, dass er glaubte, sein Körper müsse nun vollständig verdunsten. Aber die Operateure hatten schon zwölf Stunden Arbeit hinter sich, als F. seine Hilfe anbot, die stumm nickend angenommen wurde. Die Luft im Zelt war so warm und dick, dass man sie nur mit Mühe in die Lungen pressen konnte. Zwischendurch, nach zwanzig Stunden ohne Pause, spritzten die Ärzte sich mit dem braunen Wasser aus einem Schlauch ab und sanken vollkommen erschöpft in einer Ecke zusammen und dösten, bis sie wenig später wieder zum Operationstisch gerufen wurden. Sie arbeiteten wie Maschinen, sprachen kaum. Ihr Blick war nur auf die Wunden gerichtet, der Mensch, der diese Wunden trug, interessierte sie nicht. Er durfte sie nicht interessieren, denn würden sie jedem einzelnen in die Augen sehen müssen, würden sie an Ort und Stelle zerbrechen. Sie hörten kein Stöhnen, keinen Schmerzensschrei, kein Schluchzen und kein verzweifeltes Flehen. Die Betäubungsmittel waren ihnen schon am zweiten Tag ausgegangen. Die meisten Verwundeten waren ohnehin ohnmächtig und nahmen nichts mehr wahr. Der Großteil starb später, auch wenn er die Operation überlebte. Trotzdem hörten die Ärzte nicht auf. Weder Hunger, noch Durst, Erschöpfung und Hoffnungslosigkeit hielten sie davon ab, ihre aussichtslose Aufgabe zu bestreiten. Nur die wenigsten Verwundeten bekamen das Operationszelt überhaupt von innen zu sehen; die meisten lagen in der prallen Sonne. Teilweise kümmerten sich Kameraden oder Sanitäter um sie. Einige Sanitäter operierten auch unter freiem Himmel, doch sie wussten vom Operieren nur so viel, wie sie bei den Ärzten gesehen hatten. F. wankte zum Schlauch und spritzte sich ab. Gierig trank er das braune Wasser. Es war ihm egal, ob es dreckig war – sauberes gab es sowieso nicht. Er fühlte sich etwas besser, aber sein Kopf schmerzte und ihm war noch immer übel. Er drehte sich um und sah noch einmal zu den Ärzten, die wie Maschinen arbeiteten. F. zweifelte ernstlich, ob es überhaupt Menschen waren. Aber was war mit denen, die doch zerbrachen, die verrückt wurden, sich das Leben nahmen oder einfach in die Wüste davonliefen? Er schlug die Zeltplane auf und trat in das gleißende Sonnenlicht. Es war, als liefe er gegen eine Wand. War es im Operationszelt so schwülwarm und stickig, dass man glaubte, an der Luft zu ersticken, so war es draußen, als liege man auf einem Grill und werde gut durchgebraten. F. hängte sich seinen Rucksack über die Schulter und das Gewehr darüber. Er stapfte über den staubigen Boden und sog die trockene, brennende Luft ein. Vor ihm erstreckte sich das provisorische Lazarett – die Verwundeten lagen zu tausenden im Staub, ohne Schutz der unerbittlichen Sonne bei Tag und der eisigen Kälte bei Nacht ausgesetzt. Mancher lag auf einer Plane oder einer dünnen Decke, aber es ging ihm nur wenig besser als den anderen ohne eine Unterlage. Ein dreckiges Meer aus braunen, schwarzen und olivgrünen Lumpen lag zu seinen Füßen, aufgereiht in alle Richtungen und mit Wegen zwischen den Reihen, damit die Sanitäter Neuzugänge and die Enden der Reihen legen konnten. Fast sah es von fern so aus, als wäre hier eine Armee bei einer Parade, aber wirklich war es nur eine Armee aus Verwundeten, Krüppeln, Kranken und Toten. Sie starben so schnell, dass die kleine Gruppe der Helfer sie gar nicht alle wegtragen konnte. Den zig tausenden Verwundeten stand eine kümmerliche Schar von dreißig Sanitätern und freiwilligen Helfern gegenüber. Es gab kein Verbandszeug, keine Schmerzmittel und nur drei Esslöffel Wasser am Tag für jeden, sodass selbst die, die vergleichsweise geringe Verletzungen hatten, nicht lange überlebten. Und ständig lieferte man neue an, die Hilfe brauchten. Nur wenige humpelten und stolperten durch das Lager. Oft lungerten sie vor dem Operationszelt herum, in dem sieben Ärzte verzweifelt gegen den tausendfach stärkeren Tod ankämpften. Als an medizinischem Bedarf wurde zum Zelt gebracht, aber trotzdem operierten die Maschinenärzte mit stumpfen Skalpellen und ohne Desinfektionsmittel.
Wer Hitze und Kälte überstand und seinen Verletzungen noch nicht erlegen war, der starb an einer der Krankheiten, die sich mit epidemischen Ausmaßen ausbreiteten oder wurde nachts von wilden Tieren angefallen. Es gab zwar Wachen auch bei Nacht, aber das Lager war schlicht zu riesig, als dass sie wirklich etwas nützten. Man hatte dieses provisorische Lazarett eingerichtet, nachdem das alte bombardiert worden war. Bei dem Angriff waren fünfzehn Ärzte und über hundert Sanitäter umgekommen. Auch ein Großteil der Ausrüstung war zerstört worden. Das einzige, wovon es noch mehr als genug gab, waren die Verwundeten. Es gab keinen Strom und nur ein alter Tankwagen lieferte Wasser. Er wurde scharf bewacht, denn schon mehrere Male war es vorgekommen, dass einige mit genügend Kraft das ganze Wasser für sich wollten. Wer im Lager nicht den Verstand verlor oder starb, der musste zurück an die Front. Militärpolizisten kontrollierten ständig, wer tauglich war und wer nicht. Simulanten gab es keine, selbst die, die beide Beine oder ein Auge verloren hatten, meldeten sich freiwillig zurück zur Front. Tauglich war jeder, der in Gewehr halten und abdrücken konnte.
F. schritt an den endlosen Reihen entlang, aber er entdeckte kein Gesicht, das ihm vertraut vorkam. Nicht verwunderlich bei der Zahl derer, die hier waren. Er kam an zwei Sanitätern vorbei, die Tote auf einen Karren luden. Die Achse des Karrens beugte sich bereits unter der Last und das Maultier, das davor gespannt war, sah so alt und krank aus, dass es eher auf anstatt vor den Karren gehörte. F. fragte die beiden, ob sie einen Bekannten gesehen hätten, aber sie winkten ab. Um Namen konnten sie sich nicht auch noch kümmern. Er schenkte ihnen zwei Zigaretten und setzte seinen Gang durch die Reihen fort.
Nach einer Weile traf er auf einen Sanitäter, der sich mit einem Verwundeten unterhielt. Unter dem Arm hatte er ein Klemmbrett mit einer Namensliste. Der Sanitäter verabschiedete sich von seinem einarmigen Bekannten und entfernte sich. F. holte ihn ein und sprach ihn an: „Hast du vielleicht auch einen V. auf deiner Liste?“
Der Angesprochene drehte sich um und antwortete barsch: „Und wenn schon. Ich werde ganz bestimmt nicht nachsehen. Diese Liste ist mehrere Meter lang und längst veraltet.“
„Kann ich wenigstens einen Blick darauf werfen und sehen, ob er hier ist?“ fragte F. hoffnungsvoll.
„Ich sagte doch schon, es ist zwecklos. Selbst wenn dein Freund auf der Liste steht, ist er längst tot, bis du ihn gefunden hast. Und jetzt verzieh dich!“ Er drehte sich wieder um und ging weiter. Doch F. ließ nicht locker, er stellte sich dem Sanitäter in den Weg. „Lass mich doch wenigstens kurz nachsehen. Du kriegst eine ganz handvoll Zigaretten dafür von mir.“ Der Sanitäter blieb stehen und musterte F.. „Wer bist du überhaupt? Wie ein Soldat siehst du nicht aus.“
„Ich bin auch kein Soldat, ich helfe hier im Lazarett.“
„Du musst verrückt sein, kein Zweifel, aber wofür brauchst du das Ding da?“ Er zeigte auf das Gewehr, das F. über der Schulter hing.
„Ich war beim Kampf um die Hauptstadt, aber ich bin kein Soldat“, antwortete F..
„Na schön, aber die Liste kannst du trotzdem nicht ansehen. Nur Pflegepersonal und Offiziere dürfen die Liste einsehen.“
„Ist dir denn ein V. begegnet?“ fragte F..
„Kann sein. Ich sehe jeden Tag hunderte neuer armer Schweine und kann mich schon nicht mehr an die erinnern, die ich eben erst gesehen habe. Gib es auf. Du findest ihn doch nicht.“
„Kannst du mir denn gar nicht helfen?“ Der Sanitäter stöhnte. „Also gut, wenn ich ihn sehe, sage ich dir Bescheid – wenn ich es nicht vergesse.“
„Danke, vielen Dank.“
„Das ist nicht umsonst, verstanden?“
F. musste ihm alle Zigaretten geben, die er noch hatte, aber er hatte keine Garantie, dass der Sanitäter ihm tatsächlich Bescheid sagen würde, falls er seinen Freund fand.
„Du warst wirklich bei den Kämpfen in der Hauptstadt?“ fragte der Sanitäter.
„Ja, unfreiwillig. Wie ich schon sagte, ich bin eigentlich kein Soldat.“
„Wie verrückt musst du nur sein? Kommst ohne einen Kratzer aus den Kämpfen in der Hauptstadt, dabei bist du nicht einmal Soldat und dann fällt dir nichts Besseres ein, als hierher zu kommen?“ Er schüttelte den Kopf. „Du bist dem Tod entkommen, aber jetzt bist du in der Hölle, mein Freund.“
„Der, den ich suche, war auch bei den Kämpfen. Er wurde zwangsrekrutiert. Durch Zufall haben wir uns getroffen, aber als die feindlichen Truppen angriffen, sind wir getrennt worden.“
„Ich hoffe für dich, dass du deinen Freund bald findest und für ihn hoffe ich, dass er längst tot ist.“ Er klopfte F. auf die Schulter und ging an ihm vorbei, doch nach wenigen Schritten drehte er sich noch einmal um. „Siehst du den Hügel? Dahinter liegen einige aus der Hauptstadt. Vielleicht liegt er ja da.“
F. ging zu dem Hügel, auf den der Sanitäter gezeigt hatte und erklomm den Hang, der voller Geröll war. Der Hügel war nicht sehr hoch, aber man konnte nicht sehen, was dahinter lag. F. stolperte und stürzte auf dem losen Untergrund. Er fing sich mit den Händen ab, aber die Steine waren glühend heiß. F. rappelte sich auf und rieb sich die schmerzenden Hände. Er erklomm den Kamm des Hügels, aber der Anblick, der sich ihm bot, warf ihn fast wieder hinunter. Die Verletzten, die dort lagen, waren kaum noch als Menschen zu erkennen. Sie lagen teilweise auf Haufen, sowohl noch lebende, als auch tote. Der Geruch von Verwesung war noch schlimmer als im Operationszelt. Als F. sich gefasst hatte und den Hügel herunterkam, sah er ein Schild, das halb im sandigen Boden steckte. „Sektion 247“, stand darauf. Die Bürokratie starb zuletzt. Selbst hier hatte man die Leiber wie ein quadratisches Straßensystem ausgelegt. F. kam an Verwundeten mit Kopfschüssen, aufgerissenen Bäuchen, fehlenden Körperteilen und solchen, bei denen man den Rumpf nicht vom Kopf unterscheiden konnte, vorbei. An einer Stelle stapelten sich nur abgetrennte Körperteile übereinander. –Genug für eine ganze Armee Frankensteinscher Schöpfungen. Die Wunden in dieser Sektion übertrafen alles, was F. bisher gesehen hatte um ein Vielfaches. Er spürte, dass er würgen musste, aber außer Wasser spuckte er nichts. Seit gestern hatte er nichts gegessen. Als er die Reihen abschritt, verstand F., warum der Sanitäter so erstaunt gewesen war, als er hörte, dass er ohne Verletzungen aus der Hauptstadt gekommen war. Eine Sektion umfasste normalerweise etwa 100 Verwundete, aber Sektion 247 schien 100mal so groß.
Plötzlich fasste eine Hand F. von hinten an die Schulter. Er fuhr herum und stand vor einem Soldaten in Uniform. Er trug die Abzeichen eines Leutnants, sah blass aus und trug einen lächerlichen Schnurrbart, der ihm vermutlich Würde verleihen sollte.
„Was haben Sie hier zu suchen?“ herrschte der Leutnant F. an.
„Ich suche nach einem Freund, er soll hier irgendwo liegen.“
„Zu welcher Einheit gehören Sie, Soldat?“ fragte der Leutnant und musterte ihn scharf.
„Wie bitte?“ brachte F. nur heraus.
„Ihre Einheit, Soldat, welcher gehören Sie an und warum tragen Sie eigentlich keine Uniform? Man könnte Sie ja glatt für einen bäuerlichen Milizionär halten!“
„Ich bin gar kein Soldat“, antwortete F. „und ich gehöre auch keiner Miliz an.“
„Erstens, werden Sie mich mit „Herr Leutnant“ anreden und zweitens, warum tragen Sie als Zivilist eine Waffe und drittens, warum treiben Sie sich verbotenerweise in einem Armeelazarette herum? Sind Sie etwa ein Leichenfledderer?“
„Was? Nein. Hören Sie mir doch zu! Ich war in der Hauptstadt, als die feindlichen Truppen mit dem Sturm auf die Stadt begannen. Ich habe nur versucht, zu überleben. Ich habe mich der Armee angeschlossen und bin nach dem Rückzug hierher gekommen, um nach meinem Freund zu suchen, der in der Schlacht verwundet wurde.“
„Sie sind als ein Freiwilliger? Nun gut, in diesem Fall kann ich Ihr respektloses Verhalten verstehen. Bedenken Sie aber, dass Sie jetzt auch zur Armee gehören. Eine solche Dreistigkeit, wie zu behaupten, zu den glorreichen Verteidigern der Hauptstadt zu gehören, wird man Ihnen von nun an nicht mehr ungestraft durchgehen lassen. Und wagen Sie es ja nicht, gegenüber anderen Personen von einem Rückzug zu sprechen.“
„Aber…“
„Kein Aber. Es war tatsächlich kein Rückzug, sondern eine taktische Verlagerung unserer Kräfte. Ich hoffe, Sie haben mich verstanden. Andere Vorgesetzte werden keinesfalls ähnlich großzügig mit Ihnen verfahren. Weitermachen.“ Er drehte sich auf der Stelle um und stolzierte die vom Tod gesäumte Straße hinunter. F. schüttelte den Kopf. Er ein Soldat. Mit solchen Menschen als Entscheidungsträgern würde dieser Krieg nie ein Ende finden. Neben F. setzte sich eine Leiche auf. Der Mann war so blutleer und mager, dass F. ihn zuerst tatsächlich für einen Toten gehalten hatte. „Mach dir nichts draus, Kamerad. Der olle Pfau hat doch keine Ahnung von den Kämpfen. Der hält den Krieg doch für ein aufregendes Abenteuer, ist ja auch nur bei einer Reserveeinheit. Selbst du weißt mehr vom Krieg als der und du bist nicht mal, Soldat. Aber ich sage dir eines, man muss kein Soldat sein, um zu wissen, was Krieg ist. Ich hab mit angesehen, wie aus Schuljungen alte Männer wurden – binnen einer Woche. Sieh mich doch an, ich bin sechsundzwanzig und sehe aus, wie der Tod persönlich. Beide Beine haben sie mir weggeschossen und ich bin nur einfacher Soldat. Der aufgeblasene Idiot von Leutnant hat noch keinen Schuss abgefeuert und ist trotzdem Offizier.“ Sein Gesicht war spitz und blutleer, die Augen wirkten riesig. Aus den Resten einer Jacke hatte er sich Verbände für die beiden Stümpfe gemacht, wo einst seins Beine waren. „Wen suchst du noch mal?“ fragte er.
„V., ein Freund von mir. Er war auch in der Hauptstadt.“
„Hm“, machte die lebendige Leiche, „die aus der Hauptstadt sehen meistens so aus.“ Er deutete mit seiner Skeletthand auf den Haufen mit abgetrennten Extremitäten. „Aber geh mal zwei Reihen weiter, da liegen noch ein paar Frische.“
F. dankte ihm und bedauerte, dass er nichts mehr habe, was er ihm schenken konnte, aber die Leiche winkte ab. Ihm etwas zu schenken sei sowieso reine Verschwendung. Ein Sanitäter habe ihn amputiert und er habe schon drei Tage und drei Nächte überlebt, damit sei sein Maß an Glück – falls man es so nennen konnte – mehr als erschöpft. F. drückte ihm zum Abschied die knochige Hand und ging weiter.
Er hatte noch fünf Reihen vor sich, als er einen Verwundeten sah, der einen notdürftigen Kopfverband trug und ein Bein hatte, das nur noch von dem Hosenbein und einem Gürtel zusammengehalten wurde, V.. auch er erkannte F. und sie waren froh, dass sie beide noch am Leben waren. F. umarmte V., doch er stöhnte vor Schmerz. F. setzte sich neben seinen Freund auf den Boden. Er hatte etwas Wasser für ihn in eine Flasche abgefüllt. V. trank in großen Schlucken, dann erzählte er, wie es ihm nach dem Angriff ergangen war; Granatsplitter hatten ihm das Bein zerfetzt und die Schulter zertrümmert. Die Kopfwunde stammte von einem Sturz, als die Kameraden, die ihn trugen, getroffen wurden und ihn fallen ließen. F. erzählte nichts von dem Operationszelt, den Sanitätern oder wie es um den Rest dieses riesigen Friedhofs bestellt war. Er erzählte V. davon, wie sie zurück in die Heimat fahren würden. Dort gäbe es Ärzte, die ihn wieder voll herstellen konnten. Sie würden diese Hölle der Verwesung verlassen und nie wiederkehren. Sie schworen sich, nie wieder in einen Krieg zu ziehen, egal wie sehr man sie zwingen würde.
Gerade hatte F. von seiner Begegnung mit dem Reserveleutnant erzählt, da hörten sie ein Pfeifen und ein Donnern. Die feindlichen Truppen hatten das Lager entdeckt und aufgrund der ordentlichen Anordnung der Verletzten für eine gesunde Armee gehalten und sofort mit Artillerie beschossen. Es krachte und grollte, Staub wirbelte hoch und Blitze zuckten in diesem künstlichen Sandsturm. Als das wütende Feuer abschwoll, war nicht mehr viel von dem provisorischen Lazarett übrig. Es war von Anfang an ein Platz zum sterben gewesen, eine letzte Parade für den Tod. Verbrannte Fleischbrocken lagen überall verstreut und Rauchsäulen stiegen über den Kratern auf. Die Wucht der Explosionen hatte F. auf seinen Freund geworfen.
„Da haben wir schon wieder Schwein gehabt, was?“, sagte V., doch F. rührte sich nicht. Er war nur zufällig und unfreiwillig in diesen Krieg geraten, aber nun war er genauso tot, wie alle anderen. Der Krieg machte keine Unterschiede, er kannte nur Feinde.

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Daydreaming

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