Neue Hesse-Biografie

 
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„Bammel“ habe er gehabt, tat er zu kund und wissen. Ob aber Alois Prinz mit seiner Feststellung vielleicht nur kokett war, nur vorweg genommenes „Fishing for compliments“ betrieb? Bei Autoren ist das nie so genau zu sagen, insbesondere wenn sie erkenntlich ironisch von einem „Calw voller Hessekenner“ sprechen. Denn Alois Prinz stellte im gut gefüllten Kursaal Hirsau seine Hesse-Biographie „Und jedem Anfang von ein Zauber inne“ vor. Und möglicherweise vertraute der Autor des für den Deutschen Jugendbuchpreises vorgeschlagenen Werkes darauf, es möchte niemand es so genau nehmen, was er da in freier Rede zu Hesses Lebenslauf zum Besten gibt.

Das Buch selbst – es muss betont werden – ist locker, faktentreu und zügig geschrieben, meidet den schnoddrigen Boulevardzeitungs-Jargon, dessen sich derzeit die Hesse-Serie im „Stern“ befleißigt. Hesse kann so durchaus einem jugendlichen, aber auch erwachsenem Publikum schmackhaft gemacht werden. Dass der 1958 in Niederbayern geborene und heute in Österreich lebende Prinz – studierter Literaturwissenschaftler und Philosoph und obenhin mit dem Evangelischen Buchpreis für seine Hannah Arendt-Biographie ausgezeichnet – etwas von seinem Metier versteht – keine Frage. Dass er während des pausenlos zwei ermüdende Stunden währenden Hirsauer Präsentationsabends Buchteile seiner Hesse-Biographie im Maschinengewehrtempo vorträgt – auch das ist lediglich ein kleiner Schönheitsfehler. Recht hat Prinz sicherlich auch mit der Feststellung: „Bei wem ist Literatur und Leben so verwoben wie bei Hesse? Ich kenne niemand“ – von Vita und Literatur des französischen Dichters Jean Genet mal abgesehen.

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Wenn aber der Hesse-Biograph in seinem salopp formulierten Lebensabriss des „Glasperlenspiel“-Verfassers ausgerechnet im Hesse-Kernland mit den Fakten schludert, darf sich gewundert werden. Behauptet Prinz doch schlechtweg, erstmals außer des elterlichen Hauses habe Hesse im Maulbronner Seminar gelebt, und unterschlägt dabei die rund einjährige Zeit davor, die Hesse in Göppingen verbracht hat zur Vorbereitung aufs Landexamen. Ausgesprochen ärgerlich aber ist das dümmliche Etikett „Teufelsaustreiber“ mit dem Johann Christoph Blumhardt bedacht wird, der Freund und seelische Berater von Eduard Mörike und Ludwig Richter. Blumhardt lebte als Pfarrer im nahen Möttlingen und hatte als erster – Fallbeispiel in jedem Psychiatrie-Fachbuch – die neurotische Hysterie der Gottliebin Dittus und ihres Bruders durch eine Art Psychotherapie geheilt. Dem liberalen und hochgebildeten Blumhardt, der auch mit Hesses Großvater Hermann Gundert bekannt war, war jegliche Gesundbeterei und esoterisches Wagalaweia restlos fremd. Hesse selbst wurde ein Zeitlang bei Blumhardts Sohn Christoph in Bad Boll untergebracht. Auch dass Hesse seine „Indienreise“ 1911 unternommen habe „nur um weg zu sein“, oder dass sich auf dem von Hesse besuchten Monte Verità „lauter Spinner“ befunden hätten, das gehört unter vielem anderen zu dem Fehlerkontingent, mit dem Prinz in Hirsau seine Reputation ins Wackeln brachte. Trotzdem langer, langer Beifall für den Hesse-Biographen.

Sebastian Giebenrath

Alois Prinz
„Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne“ – Die Lebensgeschichte des Hermann Hesse
403 Seiten, gebunden
Verlag Beltz&Gelberg
ISBN 3-407-80874-7
19,90 Euro

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