„Obsessiv der Literatur verschrieben“

 
   

CALW.Mit dem Bonmot „Der Steppenwolf besucht Auerbachs Keller“ hatte Calws Oberbürgermeister Werner Spec die Lacher auf seiner Seite in der hehren Versammlung, die sich in der Hesse-städtischen Aula einfand, um die diesjährigen Preisträger der Hermann-Hesse-Stiftung zu feiern. Diese nämlich stammen aus Leipzig, der Stadt, deren Lokal „Auerbachs Keller“ durch Goethes „Faust“ unsterblich geworden ist. Ausgelobt wird der mit 15 000 Euro dotierte Preis vom Südwestrundfunk (SWR) und der Kreissparkasse Calw und im zweijährigen Turnus einem ausländischen Hesse-Übersetzer oder einer deutschen Literaturzeitschrift verliehen. In seiner Begrüßung rüffelte der Doyen der deutschen Hesse-Forscher, Professor Bernhard Zeller, Vorsitzender des Vorstands der Calwer Hermann-Hesse-Stiftung, das Einstellen der öffentlichen Förderung: „Das kann nicht übergangen werden.“

Diesmal hatte die hochkarätige Jury die Zeitschrift „Edit – Papier für neue Texte“ für würdig befunden, mit dem Hesse-Preis ausgezeichnet zu werden. „Edit“ erscheint seit 1993 in Leipzig und versammelt meistenteils junge, unbekannte Autoren. Die Herausgeber, so wusste Denis Scheck in seiner Laudatio zu rühmen, hätten sich „obsessiv der Literatur verschrieben“. Die Zeitschrift, ein „Schaukasten deutscher Literatur“, habe den Mut auch zeitgenössische Kritik zu veröffentlichen. Die Zeitschrift wolle Neues entdecken, aber nicht ausschließlich mit jungen Autoren; vom Pop-Literaten bis zum Grübler reiche die Spanne.

 
   

Die Herausgeberschaft der Zeitung hat in den vergangenen Jahren häufiger gewechselt. Tom Kraushaar und Miriam Bosse nahmen aus den Händen Zellers für „Edit“ den Preis entgegen. In seiner amüsanten, stilistisch ausgefeilten Dankesrede meinte Kraushaar, es gebe keinen direkten Bezug von Hesse zu „Edit“, doch für die Herausgeber und Autoren der Zeitschrift gelte allemal: „Vorbeigekommen ist niemand an Hesse, es ist wie der Verlust der ersten Zähne.“ Hesse habe auch heute noch nichts von seiner provokativen Energie verloren, wenngleich Hesses Texte eine Funktionsveränderung erfahren hätten. Bezogen auf den Herausgeberwechsel merkte Kraushaar an, dadurch habe „EDIT“ „keinen Staub angesetzt“. Ob Baden-Württemberg das Land des Eigensinns sei, begehrte SWR-Intendant Peter Voß in seinem Grußwort zu wissen, und untermauerte dies mit der Feststellung, die vier Großen dieses Landes, die „schonungslos hellsichtige Zivilisationskritik“ betrieben hätten: Hesse, Jünger, Walser und Heidegger, seien als ausgesprochen eigensinnig zu bezeichnen.

Hubertus Gertzen rezitierte bei der Veranstaltung zwei Hesse-Gedichte und sprach eine Editorial-Collage aus der preisgekrönten Zeitschrift.

Sebastian Giebenrath

Weitere Infos: Edit online

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