Dichterschicksal und Psychoanalyse

 
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FRANKFURT/CALW. Zeitweilig irrig an sich zu werden, mit den eigenen Widersprüchlichkeiten zu hadern, weil für sakrosankt gehaltene Gesellschaftsnormen und eigenes Empfinden auseinander klaffen, von Ängsten des Ungenügens gepeinigt zu werden und dadurch in eine seelische Krise zu schliddern – all das zu beheben verspricht eine Behandlungsmethode, die selbst den ihr oft gezollten Anspruch der Wissenschaftlichkeit erhebt, doch andererseits sich auch den bösen Vorwurf eingehandelt hat, die letzte, noch nicht gescheiterte Ideologie des 19. Jahrhunderts zu sein: die Psychoanalyse.

Schon ihre Begründer, Sigmund Freud und sein Schüler Carl Gustav Jung, waren sich heftig in die Wolle geraten, welches nun der richtige Weg sei, einer erkrankten Seele zur Gesundung zu verhelfen. Und an diesem Zwist der inzwischen noch mehr gewordenen Lehrmeinungen hat sich bis heute nichts geändert – jeder Analytiker schwört mit fast religiöser Inbrunst auf seine Methode.

Auch der Schweizer Josef Bernhard Lang, studierter Mediziner und als Psychoanalytiker ein Schüler von C.G. Jung, war von der Richtigkeit des tiefenpsychologischen Ansatzes bei der Analyse überzeugt. Prominentester Patient von Lang: der vier Jahre ältere Dichter Hermann Hesse, der seinem Analytiker sogar mit der Figur des Pistorius in der Erzählung „Demian“ ein literarisches Denkmal gesetzt hat. In einer ihn heftig beutelnden Lebenskrise hatte Hesse im Jahr 1916 Lang aufgesucht in der Hoffnung, dieser könne ihm aus der seelischen Not helfen, durch die Analyse die Lösung der inneren Konflikte bewerkstelligen.

Hesses Ehe mit der neun Jahre älteren Maria Bernoulli, Mutter seiner drei Söhne, war gescheitert. Zum Familienvater, so empfand es Hesse selbst, taugte er nicht, und zudem beelendeten ihn die Schrecknisse des 1. Weltkriegs. Depressionen, Schlaflosigkeit, schwere Kopfschmerzen und Suizidgedanken plagten den Dichter und ebenfalls die Furcht, sein künstlerisches Potential zu verlieren. Lang, der selbst literarische Ambitionen hegte, nahm sich des späteren Literaturnobelpreisträgers an, regte ihn an, sich seiner Träume zu erinnern, sie aufzuschreiben und zu deuten. Als therapeutisches Mittel schlug der Analytiker auch vor, Hesse solle mit Malen und Zeichnen beginnen, um damit Gedanken und Erinnerungen visuelle Gestalt zu geben.

In seinem Aufsatz „Künstler und Psychoanalyse“ hat Hesse geschildert, welche Vorteile er in dieser Behandlungsmethode sah: „Wer den Weg der Analyse, das Suchen seelischer Urgründe aus Erinnerungen, Träumen und Assoziationen, ernsthaft eine Strecke weit gegangen ist, dem bleibt als bleibender Gewinn, das was manetwa das >innigere Verhältnis zum eigenen UnbewusstenHermann Hesse, Briefwechsel mit seinem Psychoanalytiker Josef Bernhard Lang, herausgegeben von Thomas Feitknecht, 443 Seiten, gebunden, Suhrkamp-Verlag, ISBN 3-518-41757-6, 24,80 Euro

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sebastian

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