„Der Steppenwolf“ von Hermann Hesse als Schauspielfassung im Badischen Staatstheater Karlsruhe
Timo Tank als Harry Haller (links) und Thomas Gerber als Pablo
|
Wen schert’s da schon groß, dass der Autor selbst in seinem Testament jegliche Dramatisierung seiner Erzählungen und Romane untersagt hatte? Joachim Lux jedenfalls hat aus der Erzählung ein Theaterstück gebastelt, das nun in einer von Thomas Krupa besorgten Inszenierung auf die Bühnenbretter des Badischen Staatstheaters Karlsruhe gehievt worden ist. Wenn Hesse im Jahr 1942 bereits beklagte, dass der „Steppenwolf” dasjenige seiner Bücher sei, „das öfter und heftiger missverstanden wurde”, – lange also bevor Rockbands, Drogenpäpste und Flower-Power-Kinder sich dessen bemächtigten – so hat der Textbearbeiter Lux diese Kette der Missverständnisse um ein Glied verlängert. Und die in der eher kärglich bemessenen Ausstattung (Valerie von Stillfried) angesiedelte Karlsruher Inszenierung tut auch nicht sonderlich viel, um mit ein paar musikalischen Versatzstücken (Mark Polscher) und an Aerobic-Studio orientierten Tanzeinlagen (Emma-Louise Jordan) dem vielschichtigen Hesse-Werk gerecht zu werden.
Zugegeben – die bitterböse Abrechnung mit der Kleinbürgerlichkeit, mit der „Roheit des Krieges” und der Ausbeutung im „Tractat vom Steppenwolf” lässt sich kaum bühnenwirksam umsetzen. Deshalb beschränkt sich vermutlich Joachim Lux auch darauf, das „Magische Theater” zum Dreh- und Angelpunkt seiner Bühnenfassung werden zu lassen. Dass das in der Erzählung nicht vorkommende Verbum „vögeln” in den Text eingebaut wird, ist wohl der zwanghaften Sucht vieler Theatermacher nach volkstümlichen Bezeichnungen der Penetrationsakrobatik geschuldet. Nun könnte gewiss die von Hesse im „Magischen Theater” beschworene Erotik theatralisch eindrucksvoll umgesetzt werden. Doch wenn die auf Paris Hilton-Verschnitt getrimmte Teresa Trauth als „Maria” den „Harry Haller” im Stil einer aufgekratzten Dorftrutschel umtanzt, oder Thomas Gerber mit nackenlangen Schmalzlocken als „Pablo” einem schmierigen Vorstadtstrizzi gleicht, und die hübsche Claudia Frost als „Hermine” ein bisschen aufgemacht wie die Dirne in Viscontis „Tod in Venedig”-Verfilmung, dann ist von der schwül-mondänen Verruchtheit der Nachtclubs in den Zwanzigerjahren, so wie sie Hesse im „Steppenwolf” heraufbeschwört, herzlich wenig zu spüren. Allenfalls Anja Lechle im schwarzen Seidenetuikleid als „Königin der Nacht” gibt einen Abglanz davon in einer sonst eher provinziell lustig bemühten Chill out-Party.
Georg Krause, der als „Vermieter” ein veritables Rührei brutzeln darf, überzeugt durch sein tonmelodisch und mimisch differenziert angelegtes Spiel. Die Hauptfigur „Harry Haller” verkörpert Timo Tank, ein gezähmter Steppenwolf mit freundlich bubenhaften Gesichtszügen, dessen Anklagen gegen den Krieg trotz Stimmforcierung routinierte Demoredner-Entrüstung nicht übersteigen.
Langer Premierenbeifall für einen „Steppenwolf” mit klapperndem Theatergebiss.
Sebastian Giebenrath