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Aufwärts oder abwärts – Betrachtungen aus einem Lebensabschnitt

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Hier oben stehe ich und betrachte den langen Weg der Stufen hinab und frage mich: »Ob ich aus der Höhe zurückschaue oder auf dem Weg nach unten bin?«
Interessante Fragestellung.
Fünf Ebenen kann ich von hier oben erkennen. An deren Kanten steht jeweils eine, aus der modernen Zeit gefallene, Straßenlaterne, die des Nachts mit ihrem Licht an der abfal¬len¬de Stufe Sicherheit vermittelt und unbeab¬sich¬tigte Stürze vermeiden hilft.

Fünf Ebenen!
Was könnte ich diesen Podesten für Stationen meines Lebens zuschreiben?
Meine Geburt wäre sicherlich das erste Podest. Okay, ohne diesen Ursprung hätte ich meine Fußspuren, Kerben und Wandmalereien auf der Erde nicht hinter¬lassen können. Sicherlich eine die Zukunft prägende Ebene mit unermess¬lich vielen Möglichkeiten und Chancen. Und das in alle Richtungen, auch nach oben.
Da ich von hier oben zurückblicke, vermute ich, dass ich den Weg des Aufstrebens gewählt habe, denn der verläuft immer nach oben, manchmal sanft ansteigend, gelegentlich steil, oft zu steil und man stolpert und stürzt oder bricht sich im Fallen das Genick.
Zwischen der Ebene der Geburt und meinem Standort in der Höhe versuche ich die einzel¬nen Stationen meines Lebens den unter mir liegenden Podesten zuzuordnen.
Der zweite Absatz stellt sicherlich meinen Wunsch dar, eine weiterführende Schule zu besuchen und die Hartnäckigkeit, sich - mit Hilfe meiner Lehrer - gegen die Eltern durchzu¬setzen. Die damals neu gegründete Real¬schule Alsdorf stellt garantiert einen entscheidenden Abschnitt meines Lebens dar. Der Ausgangspunkt späterer Erfolge, auch beim anderen Geschlecht.
Plötzlich klopft ein anderer Gedanke an meinen Kopf und begehrt Einlass: Vielleicht bist du auf dem Weg nach unten! Dort angekommen, lauert der Tod! Ende und aus!!
Verwunderung.
Ich sollte mal einen schnellen Blick über die Schulter nach oben werfen, um in diesem Dilemma Gewissheit zu erlangen.

Nach langem Abwägen sind mir der Mut und die Entschlossenheit abhanden gekommen, dieses Wagnis einzugehen. Der Blick zurück auf die Stufen und Podeste der in meinem Leben erreichten Erfolge hat weitaus mehr Charme.
Die Stufen zum dritten Podest waren gepflastert mit Mühen und Verzicht. Geldnot zwang zum Arbeiten und zum Lernen in der Küche unserer Behausung und in der Schlafkammer, die ich mir mit meinem Bruder teilte. Am Ende ein Anzahl erfolgreicher Mosaiksteinchen; die Prüfung zum Bauinge¬nieur (ing. grad.), dem die Studiengänge in Soziologie (cand. phil.), Betriebswirt¬schaft und Städtebau (Dipl.-Ing.) sowie die Zweite Staatsprüfung (Ass.) folgten.
Die vierte Ebene stellt die langwierige Suche nach vertrauter Zweisamkeit dar. Nach schmerzlich gescheiterten Versuchen fand ich den Ruhepol in meinem Leben, das Jahrzehnte andauernde Zusammenleben mit Kornelia. Das breiteste und auf lange Sicht nachhaltig prägende Podest in meinem Leben. Seit diesem Höhepunkt gehe ich nicht mehr allein durchs Leben, finde eine mich befriedigende Arbeit, baue mit ihr ein Haus und verzichte auf einen eigenen Hund. Diese Sehnsucht befriedigte der Ridge¬back des Nachbarn namens Spike.
Auf dem fünften Podest ruhe ich mich gerade aus. Soweit man sich als Rentner überhaupt ausruhen kann. Im Arbeitsleben hatte ich gefühlt mehr Freizeit für mich und keine Zeit für Reisen - abgesehen von den Urlauben - oder Poker, Schach, Freunde oder das Schreiben. Alles Zeiträuber, die ich inzwischen lieben gelernt habe.

Vielleicht sollte ich doch einen Blick über die Schulter riskieren.
Vielleicht geht es noch weiter nach oben und es gilt eine oder gar noch weitere Plattformen zu erreichen. Wenn dem so sein sollte, was könnte mich auf diesen noch erwarten?
Eine frische Liebe?
Der Gewinn der Poker- oder Schachweltmeisterschaft?
Der Nobelpreis in Literatur?
Ein Millionengewinn in der Lotterie?

Hirngespinste!
Der Gedanke auf dem Weg nach unten, dem Lebensende entgegen zu gehen, keimt erneut in meinem Kopf und wird sogleich verworfen.
Da ich die wesentlichen Momente meines Lebens bereits hinter mir gelassen habe, liegen noch weitere vor mir. Also nach vorne schauen, der Weg führt weiter nach oben.
Spannender Gedanke!
Dennoch: Ich hasse elend lange Aufstiege.
Was würden sie mir bringen?
Vielleicht werden meine Phantasiegebilde doch noch Wirklichkeit.
Wenigsten eines davon.

Und wenn schon, dann aber bitte …
… in umgedrehter Reihenfolge!

Zuerst die Millionen!!
Übermäßig viel Zeit habe ich nicht mehr, all die Kröten auszugeben.

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Autor:in

Klaus D. Andreß

* 08.08.1947 in Arnstadt/Bittstädt; Mittlere Reife; Studienabschlüsse in Hochbau, Städtebau, Soziologie; 2. Staatsprüfung; praktische Arbeit in Architektur- und Ingenieurbüros (Hensen, Görres & Schmitz-Aachen), Stadt verwaltungen Alsdorf, Aachen, RP Köln. Fachgebiete: Stadtplanung, Bau- u. Planungsrecht. Steckenpferde: Schach, Poker, Schreiben / Prosa, Lyrik, Kochen, Beobachten. Ich liebe Stille, (klassische) Musik, Entspanntheit, sachliche und wertschätzende Gespräche-

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